Dienstag, 8. November 2016

Mit kleinen Tippelschritten

Ende August war es soweit: Meine Wiedereingliederung startete. Ich war wirklich nervös, hatte sich so viel auf Arbeit verändert. Ein Teil meiner Kolleginnen war weg, meine Teamleiterin, die natürlich über meine Situation Bescheid wusste, hat sich eine Auszeit genommen. Und natürlich wusste ich nicht, in wie weit ich es gesundheitlich packen würde und war da einfach unsicher. Doch ich wurde wirklich gut in mein Team aufgenommen und einige, die etwas Interesse an mir und meiner Situation hatten, brachten mir Verständnis und auch Hilfe entgegen. Nachdem ich meine E-Mailberge abgebaut und langsam wieder in die Arbeit gefunden hatte, vergingen die ersten paar Stunden wirklich schnell. Aber ich kann nicht abstreiten, dass jetzt, wo ich täglich sechs Stunden weiterhin arbeite, es wirklich anstrengend ist. Nach vier bis fünf Stunden schaltet mein Gehirn einfach ab. Ich kann mich nicht mehr so wirklich konzentrieren und bin sehr müde. Aber damit arrangiere ich mich. Genau wie mit den vielen kleinen Zieperlein, die mich noch immer in Schach halten, mal auftauchen und wieder verschwinden oder manchmal auch ein klein wenig Angst oder Sorgen mit sich bringen. Oder auch Wut. Darüber, dass eben nicht alles wieder gut ist. Wäre so als Belohnung nach der ganzen schwierigen Zeit wohl auch ein wenig vermessen…
 
Morgen steht auch schon meine nächste Nachsorge an. Dieses Mal das volle Programm: Arztgespräch, großes Blutbild, Röntgen, Lungenfunktion, Herz EKG und –Ultraschall und Ultraschall der Organe. Wird also wieder ein langer Tag im Krankenhaus. Ja, ich bin nervös und würde lieber einen Bogen drum machen. Und ja, etwas Angst ist natürlich immer dabei, aber es ist mehr so ein unwohl fühlen und es sträubt sich alles in mir da wieder hin zu müssen. Aber ich bin mir sicher, dass alles in Ordnung ist. Ich werde euch natürlich auf dem Laufenden halten.

Samstag, 20. August 2016

Wiedereingliederung mit Hindernissen

Am Montag ist es tatsächlich so weit. Meine berufliche Wiedereingliederung steht an. Der Weg dahin war wieder abenteuerlich und nervenaufreibend.

Vor knapp drei Wochen ging ich also zu meinem Arzt, um die Unterlagen für die Wiedereingliederung abzuholen. Etwas verwundert schaute ich auf meinen Zettel, blätterte vor und zurück, ob ich denn etwas übersehen hätte. Langsam merkte ich, dass es wohl keine weitere Seite gab – meine Wiedereingliederung sollte also knackige zwei Wochen über drei Stunden täglich gehen und dann sollte ich direkt wieder ins Wasser geworfen werden. Verwirrt ging ich zur Arzthelferin. Sie sagte mir, der Arzt sagte, dass sei alles so abgesprochen. Auf meinen Protest hin wartete ich, dass ich nochmals mit meinem Arzt sprechen konnte. Dieser erklärte mir in genervter Verfassung, dass die Krankenkasse das eh nicht anders anerkennen würde und ich ja nun auch schon so lange krankgeschrieben wäre, dass es nun mal langsam voran gehen müsse – schließlich hätte ich auch keine körperlichen Einschränkungen mehr. Aha, das war mir neu, ihm wohl auch, wenn er in seine Unterlagen geblickt hätte. Außerdem klammerte er sich daran fest, dass ich ja eh meinen Vertrag auf 30 Wochenstunden umstellen lassen habe und da kann ich keine andere Zusammenstellung des Models erwarten. Für mich hattte das mit einer stufenweisen Wiedereingliederung, die anscheinen ja nur eine Stufe enthielt, nichts zu tun... Nach ewiger Diskussion musste ich das wohl so hinnehmen. Ich war wirklich einfach verärgert und wusste nicht, wie ich mich nun verhalten sollte. Noch beim vorigen Termin fragte er mich, ob ich mir denn wirklich sicher wäre, dass ich die Wiedereingliederung will – ich hatte ihn immerhin darauf angesprochen.

Ich tigerte mit dem Schreiben in der Hand durch die Gegend und plötzlich viel meinem Chemohirn auf, dass meine Vertragsumstellung erst später greift. Und bei einer Wiedereingliederung mit zwei Wochen würde das also heißen, dass ich nach drei Stunden täglich komplett wieder Vollzeit arbeiten müsste. Das geht gar nicht und ist nun auch nicht Sinn und Zweck dieser Geschichte. Genervt tanzte ich wieder beim Arzt an. Nachdem die Arzthelferin mir freundlich mitteilte: „Ja dann musst du das selber mit ihm besprechen, der rastet aus“, nahm ich nochmal Platz. Ich erklärte dem anschließend mein Anliegen und nach langer Diskussion sollte ich dann eine ordentliche Wiedereingliederung bekommen – natürlich aber nicht mehr heute, dass schafft ja keiner mal so nebenher das Formular auszufüllen...

Also ging ich am nächsten Tag nochmal hin und holte die Unterlagen ab. Sollte ich nun alles parallel an Krankenkasse und Arbeitgeber schicken? „Keine Ahnung, ich denke mal“ - anscheinend war ich in dieser onkologischen Praxis die erste, die so eine Wiedereingliederung bekommen hatte. So fühlte sich die Inkompetenz zumindest an. Also schickte ich alles ab. Im Endeffekt hätte erst der Arbeitgeber zustimmen müssen und dann die Kasse. Aber zum Glück war das weiter kein Problem. Das teilte mir meine Sachbearbeiterin von der Krankenkasse mit, die mich mit den Worten „ach jetzt doch?“, bezüglich meiner Wiedereingliederungspläne begrüßte. Das konnte sie sich anscheinend nicht verkneifen, nachdem sie ständig Kontrollanrufe macht und immer fragte, wie denn die Lage sei, bis ich sie irgendwann forsch abgespeist hatte, dass es nun mal nicht eben nur eine Erkältung war und sowas nun mal dauert. Sie wies mich auch darauf hin, dass ich für die Dauer meiner Wiedereingliederung dennoch weiterhin eine Krankschreibung benötigen würde. Schön, hatte mir der Arzt auch nicht weiter gesagt...

Nachdem ich mich also an diesen Fronten herumgeärgert hatte, klappte wenigstens alles von meinem Arbeitgeber aus und auch die Genehmigung der Krankenkasse trudelte bald ein.

Die Zeit verging nun plötzlich wahnsinnig schnell. So ein bisschen wie in den letzten Zügen im Urlaub, wenn man weiß, es geht bald wieder los. Alles in allem bin ich wahnsinnig gespannt, vieles hat sich natürlich in der Zeit auf Arbeit verändert, auch personell. Der Buschfunk hat anscheinend auch hervorragend funktioniert, sodass anscheinend jeder irgendwie Bescheid weiß. Ich bin auch gespannt, wie ich das packe. Zumindest körperlich, seelisch wird es mir denke ich eher gut tun. Es ist einfach ein sehr wichtiger Schritt in ein bisschen Normalität und in ein bisschen „wie früher“. Wenigstens in diesem Bereich. Ich werde euch auf jeden Fall berichten.


Samstag, 23. Juli 2016

Dunkler Jahrestag

Heute ist es so weit. Genau vor einem Jahr kam der Anruf, auf den ich täglich warten musste und der mir förmlich den Boden unter meinen Füßen weg zog. Vor einem Jahr bekam ich meine Diagnose. 
 
Obwohl ich nach wie vor versuche die positiven Seiten zu sehen und mich daran fest zu klammern, will es mir in diesen Tagen einfach nicht gelingen. Ich bin sehr traurig und wütend. Obwohl draußen die Sonne ihr bestes gibt und so sehr vom Himmel scheint, haben sich große dunkle Wolken in meinen Kopf geschoben. Mein Verstand rollt die Ereignisse chronologisch auf und ich kann aktuell nur schwer akzeptieren, dass sich so viel auch zum negativen verändert hat. Es tut mir weh zu sehen, wie sich die Menschen teilweise mir gegenüber verhalten haben, wie sich mein Äußerliches bis heute grundlegend verändert hat, was diese Krankheit auch mit meinem engen Umfeld und meiner Beziehung gemacht hat, mich immer wieder ausbremst, ich mich körperlich noch immer so sehr einschränkt, dass ich mich noch immer nicht wirklich gesund fühle. Und auch wenn ich auf der einen Seite sehr froh bin, dass sich meine Sichtweisen auf so viele Dinge doch positiv verändert haben, bringt dies doch schon wieder so viel Veränderung mit sich, dass ich damit nur schwer umgehen kann. Ich fühle mich nach wie vor gefangen zwischen zwei Welten. Ich kann nicht wieder zurück und vorwärts komme ich auch nicht.

Doch ich weiß, dass diese Tage nun einmal leider dazu gehören. Für immer. Auch, wenn sie vielleicht irgendwann seltener werden. Und ich weiß auch, dass ich diese mit mir selbst ausmachen muss und diese nun mal nicht zu verdrängen sind. Sie gehören nun zu mir und meinem Leben, was ich weiterleben darf. Und dafür bin ich natürlich wirklich mehr als dankbar!

Und nun gehe ich mir die letzten Sonnenstrahlen einfangen, damit sie die dunklen Wolken vertreiben...

Ich bin mir bewusst, dass dieser Post sehr nachdenklich und auch emotional ist. Aber diese Seite gehört eben auch dazu und ich habe ihn bewusst geschrieben, als ich mich genau so gefühlt habe.

"Nach einer dunklen Nacht folgt ein heller Morgen,
der nicht tröstet, aber sanft, ganz sanft die Seele erhellt."

Donnerstag, 7. Juli 2016

Fiese Stolpersteine

Vor einiger Zeit pegelte sich so langsam mein Blutbild wieder ein. Ich freute mich, sollte doch nun meine Abwehr langsam gestärkt sein und ich wollte dann doch mal so langsam die ersten Schritte wieder in Richtung Arbeit gehen. Pustekuchen... Trotz Sport, den ich langsam wieder angefangen hatte und ordentlichen Vitaminen und Nährstoffen, mit dem ich meinen Körper fleißig versorgte, folgte nun in den vergangenen Wochen ein Hieb dem anderen.

Zuerst schlug ich mich fast zwei Wochen mit einer fiesen Kehlkopfentzündung rum. Schöner Weise schwollen dabei meine Lymphknoten am Hals ordentlich an. Nun ist die Entzündung weg, aber die Lymphknoten nach wie vor dick. Es scheint einfach kein Ende zu nehmen. Und das ist momentan eine wahnsinnig unschöne Situation. Nach Abtasten und Ultraschall, soll wohl aber alles unauffällig sein – geblieben, dick und unangenehm ist es trotzdem. Und auch eine Art Dauerschnupfen und Halsweh ist immer präsent. Das erinnert mich doch sehr an die Zeit vor der Diagnose.

Dann machen meine Knie Probleme. Angefangen von fiesen Knieschmerzen nach meinen ersten Radtouren bis Hin zu dicken Knien. Nach der ersten oder zweiten Chemo fingen meine Knie an dick zu werden und ich habe bis heute das Gefühl, dass da immer noch was an Einlagerung drin ist. Findet aber auch keiner schlimm – außer ich. Nun ja, ich versuche dann mal den nächsten Steinen aus zu weichen und die anderen irgendwie aus dem Weg zu räumen...

Von außen betrachtet

Vor einigen Tagen stand bereits mein zweiter Termin bei der Psychoonkologin an. Diese wurde mir ja von einer Bekannten empfohlen. 
 
Bereits am ersten Termin war ich relativ positiv überrascht, hatte ich ja schon so einige Horror-Stories gehört oder eben selbst in der Reha die Erfahrung gemacht, dass ich hätte getrost auf solch ein Gespräch verzichten können. Meine Therapeutin schien in etwa in meinem Alter zu sein und war wirklich sehr nett und einfühlsam. Beim ersten Gespräch erzählte ich den Werdegang von vor bis nach der Therapie und ich das Problem habe, das ein oder andere Mal noch in einem Loch fest zu stecken. Sie sagte mir, dass das alles mehr als normal ist und noch seine Zeit braucht. Dann war die Sitzung allerdings auch schon vorbei und ich wusste nicht so wirklich, ob es mir was gebracht hätte. Sie fragte, ob wir noch einen Folgetermin vereinbaren wollen – dem ich zum Glück zustimmte.

Der zweite Termin war wirklich super. Wir gingen näher auf ein Problem ein, was mich aktuell sehr beschäftigt und ich hatte das Gefühl, dass sie mich wirklich versteht und die Sachen auch nachvollziehen kann. Sie bestärkte mich darin, den Dingen ihre Zeit zu geben, mich mehr auf mich und mein eigenes Leben zu konzentrieren und die Dinge, die mir gut tun. Und sie war völlig aus dem Häuschen, wie ich davon erzählte, dass mir nun bewusster ist was ich vom Leben erwarte, welche Träume und Ziele ich habe und das ich es nicht mehr allen recht machen will und werde. Ich höre mehr auf mich. Sie sagte, dass so viele Leute immer sagen, dass sie endlich ihre Träume umsetzen, weniger arbeiten und mehr leben wollen. Aber das war es eben dann auch. Sie meinte: „So wie Sie das sagen, glaube ich Ihnen das definitiv und das finde ich wahnsinnig schön.“ Sie war einige Sekunden völlig aus dem Häuschen. Also kann ich, auch wenn es sich oft so anfühlt, gar nicht so falsch auf meinem Weg sein. Egal, wo er mich noch hin führt...

Mittwoch, 1. Juni 2016

Das soll es jetzt gewesen sein?

diese Frage ploppt des Öfteren in meinem Kopf hoch. Versteht mich nicht falsch, ich bin unendlich froh über den Abschluss und hoffe natürlich, dass es dabei bleibt, aber es fühlt sich komisch an. Diagnose, Therapie, Reha und fertig. Das was sich jetzt natürlich so einfach sagt und schreibt, dauerte gefühlte Ewigkeiten und ich habe so sehr das Gefühl so viel verpasst und so viel Zeit gestohlen bekommen zu haben. Und dennoch steht man nun gefühlt so da, als hätte der Bus einen vergessen abzuholen. Der sollte mich doch schließlich da abliefern, wo ich zuletzt einsteigen musste. Manchmal fühle ich mich dann wieder total normal. Dann aber merke ich, wie ich an meine körperlichen und seelischen Grenzen komme. Oder aber, ich fühle ich so auf einen anderen Lebenspfad abgesetzt, dass mir scheint, ich könne gar nicht mehr so unbeschwert das Leben genießen, ohne die kleine fiese Stimme im Hinterkopf zu haben, wie schnell all das vorbei sein oder sich verändern kann. Und obwohl ich sehr dankbar bin, dass ich wieder gesund bin und es „mich hätte schlimmer treffen können“, habe ich einfach das Gefühl, dass sich einfach alles für immer geändert hat. Ich wünsche mir wirklich sehr, dass es einfach nur wieder „normal“ wird. Ich fühle mich immer noch so raus gerissen von allem. Ob es sich wieder ändern wird? Bestimmt, aber momentan scheint mir das alles noch immer sehr weit entfernt.

Grundsätzlich habe ich nicht mehr so arge Ängste, dass mein Untermieter jemals wieder zurück kommen könnte. Stattdessen ist das Gefühlsleben noch immer nicht wieder ausgeglichen. Es ist alles eine einzige kleine, mal gewaltige Berg- und Talfahrt. Mit großer Sicherheit sind meine noch immer nicht zurück gekommenen Hormone daran schuld und sicherlich auch ein paar der Nachwirkungen der Medikationen. Zumindest schiebe ich es immer fleißig darauf. Doch mittlerweile merke ich, dass auch meine Seele gewisse Risse nur schwer allein heilen kann. Doch umso mehr Zeit verrinnt, umso mehr hofft und erwartet man, dass alles doch nun wieder normale Züge annimmt. Das Umfeld um mich herum sowieso. Es ist schwierig, wenn die Menschen nicht verstehen, dass eben nicht alles wie vorher ist.

Nachdem ich mich mit vielen Betroffenen ausgetauscht habe, habe ich nun auch morgen einen Termin bei einer Psychoonkologin. Leider verliefen therapeutische Einzelgespräche in meiner Reha nicht wie erhofft. Beziehungsweise eher das eine – mehr, so war die Psychologin der Meinung, bräuchte ich eigentlich nicht. Ich hatte eine Psychologin bekommen, die der Meinung war, es sei alles „gut“ bei mir und sie drückte mir nur irgendwelche ausgedruckten Sachen, für den Fall einer Angstattacke, in die Hand. Umso zuversichtlicher bin ich, dass das Gespräch morgen besser verlaufen wird. Ich werde euch auf jeden Fall davon berichten.

Mittwoch, 25. Mai 2016

Wiedersehen macht Freude

In den letzten zwei Wochen hatte ich ein paar Dates. Balsam für die leicht angeknackste Seele und temporär anklopfende Paranoia.

Den Anfang machte wieder jemand aus meiner Reha-Truppe. Ich hatte kurz von ihr berichtet, weil bei uns alles so sehr erschreckend ähnlich ablief. Wir tauschten uns aus und stellten fest, dass wir, mal wieder, noch fast die selben Symptome beziehungsweise Nachwirkungen teilten. Aktuell juckt die Haut noch unsagbar doll, die Wechseljahresbeschwerden halten uns in Schach und auch die Ungewissheit, wie es nun weiter läuft oder laufen soll, klebte wie ein Post-it, mit fettem Fragezeichen, auf unserer Stirn.

Ein paar Tage später, traf ich mich mit der lieben Izzie. Ich weiß gar nicht genau, wann wir uns das letzte Mal gesehen hatten – das muss irgendwann in den letzten Zügen unserer Chemo gewesen sein. Spannend war auch, dass wir uns das erste Mal mit neuer Sommerwolle auf dem Kopf sahen. Im Kopf hätte man wundervoll ein Daumenkino abspielen können: wie wir uns im Krankenhaus die ersten Male sahen, wo äußerlich noch alles „normal“ war, dann wurden meine Haare kürzer, später sahen wir uns mit Mütze oder Perücke und schlussendlich mit frisch bestellten und ausgepackten Haarwurzeln. Wir berichteten uns von unserer Reha und unseren Erfahrungen und Eindrücken und ließen die unzähligen Anekdoten der Krankenhaus- und Therapiezeit noch ein Mal Revue passieren. Hauptsache ist, dass wir endlich drüber lachen können! Wir sollten wirklich ein Buch schreiben. Ich fiel aus allen Wolken, als ich auf die Uhr gesehen habe und die Stunden nur so vorbei geflogen waren. Das Treffen tat mir wirklich gut.

Schlusslicht spielte das heutige Treffen. Niemals hätte wir gedacht, dass wir uns mal auf diese Weise, beziehungsweise unter diesem Umständen, wieder sehen würden. Ich traf mich mit meiner Ausbilderin, die ich schon zehn Jahre nicht mehr gesehen habe. Zum Jahreswechsel erfuhr ich, durch einen Zufall, dass sie im vergangenen Jahr selber an Krebs erkrankt war. Daraufhin tauschten wir uns aus und beschlossen, dass wir uns unbedingt mal treffen sollten – die Zeit hatten wir ja beide aktuell noch. Wir quasselten ohne Punkt und Komma aufeinander ein. Es war schön, dass wir so offen miteinander reden konnten.

Wieder zeigte sich mir, wie wichtig und trotz allem doch auch schön der Austausch mit anderen Betroffenen ist. Man fühlt sich verstanden, was leider oft schwierig in unmittelbarem Umfeld geworden ist und für viele Menschen so einiges auch nicht nachvollziehbar ist. Da tut es gut zu wissen, dass auch, wenn man selten das Gefühl hat, doch alles irgendwo „normal“ so ist, wie es ist...

Donnerstag, 5. Mai 2016

Nachsorge, die 2. - einmal Blut abzapfen, bitte!

Meine Güte – der letzte Eintrag liegt nun wirklich sehr lange zurück! Vor einiger Zeit wollte ich über ein bestimmtes Thema bloggen. Genau an diesem Tag, hatte ich allerdings meinen Laptop nicht bei mir und später war diese Stimmung, in der ich mich befand, dahin. Da wollte ich mir nichts dazu aus den Fingern saugen.

Am Montag stand meine zweite Nachsorge an. Bei dieser sollte nur ein großes Blutbild gemacht werden. Wie bereits in einem anderen Eintrag erwähnt, meinte der Arzt in der Reha zu mir, dass man diese Art der Erkrankung eigentlich sehr selten im Blutbild sehen kann – auch wenn ich im letzten Jahr „Glück“ hatte und mein Blutbild deutlich schrie, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Von daher blickte ich dieser Nachsorge eher ernüchternd entgegen.

Pünktlich um 10:00 Uhr fand ich mich wieder im Krankenhaus ein. Anmelden, warten und ab in den Chemoraum zur Blutabnahme. Jedes Mal frage ich mich, wieso es ein Labor zur Blutabnahme gibt, wenn man sich doch jedes Mal wieder in den Chemoraum begeben muss. Jedes Mal mit einem verdammt blödem Gefühl im Bauch, wenn man die Menschen dort sieht oder einem die Gedanken und Bilder wieder in den Kopf kommen. Klar, im Wartebereich sieht man auch nicht gerade grüne Wiesen mit kleinen Schmusehäschen, aber dennoch ist es dort noch einmal anders. Also nun wieder angespannt auf den Chemostuhl hüpfen. Die Schwester kam mit weniger Röhrchen, als ich erwartet hatte. Sonst waren es unzählige – und heute sollte nun auch wieder Studienblut mit abgenommen werden. Aber ich möchte mich ja nicht beschweren. Da ja meine eine Vene wieder erschienen war, war ich zuversichtlich, die letzten Blutabnahmen klappten dort ja wieder ganz gut. Naja, für eigentlich erfahrene Schwestern anscheinend nicht. Nach Hin- und Herstochern klappte es letzten Endes. Anschließend verließ ich den Raum und brachte noch schnell mein Pipi ins Labor und wartete... und wartete... und wartete... Nach einer knappen Stunde rief mich mein Studienarzt auf. Er fragte nur kurz, wie es mir geht und sagte, dass die Werte soweit gut aussehen. Sollte er doch noch etwas finden, würde er sich bei mir melden. Aha. Im Anschluss fragte er mich, ob ich denn zufrieden mit dem Verlauf der Therapie sei. Er muss meinen verdatterten Gesichtsausdruck bemerkt haben und legte hinterher: „Ja, also ich meine, sonst ist ja wieder alles gut, oder?“ Wie eigentlich immer, fehlten mir die Worte. In meiner wieder innerlich ansteigenden Wut vergaß ich sogar genau nach den einzelnen Blutwerten zu fragen. Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass ich mir den Tag getrost hätte sparen können...

In einem halben Jahr steht dann die nächste Nachsorge an. Da wird dann wieder ganz groß aufgefahren: Blutbild, Ultraschall, Röntgen, EKG, Echo und Lungenfunktion. Wenn das kein Tagesausflug wird, weiß ich auch nicht.

Dienstag, 5. April 2016

Home sweet home

Bald zwei Wochen sind nun vorbei, seitdem ich wieder Zuhause gelandet bin. Die Reha war überraschend schnell vorüber – hatte ich doch erst meine Bedenken, so lange Zeit nicht da zu sein. Meine Abreise war wirklich sehr zweigeteilt: ich freute mich natürlich wahnsinnig auf Zuhause und doch war ich einfach unsicher. Was ist dann? Die Behandlungen, die Reha, der Tagesablauf – all das war nun vorbei und lag hinter mir. Und nun erwartet man doch, dass es wieder zurück in das „normale“ Leben geht. So wirklich bereit fühle ich mich dazu ehrlich gesagt noch nicht. Doch eines kann ich ganz klar sagen: die Reha tat mir unerwartet gut. Sehr gut sogar. Ich kann nur jedem empfehlen, der so etwas durchmachen musste, dies in Anspruch zu nehmen! Die vielen Gespräche und Menschen, die ich kennenlernen dürfte, der Schubs in einen geregelten Tagesablauf und vor allen Dingen der (manchmal doch extrem viele) Sport. Alleine hätte ich mir diese Dosis und Trainingseinheiten überhaupt nicht zugemutet und zugetraut. Ich merke wirklich, dass mein Körper fitter ist, als davor. Ich habe unheimlich viel mitgenommen. Sei es menschlich, gedanklich oder eben einfach nur von der sportlichen Seite. Hier Zuhause fehlt mir auch ganz schön unser Galgenhumor und den Spaß, den wir in dieser Zeit hatten. Hier fühlt sich alles irgendwie wieder eine Spur schwerer und ernster an.

Doch wie geht es jetzt weiter? Das frage ich mich selbst und werde ich oft gefragt. Eine klare Antwort kann ich nicht recht geben. Auf der einen Seite möchte ich schnell wieder zur Arbeit, denn auch das bedeutet wieder ein Stück Normalität. Wie sagte meine Lieblingsärztin gestern: „Endlich wieder zurück ins Leben.“ Doch ein bisschen Zeit möchte und muss ich mir dennoch einräumen und werde ich auch versuchen, mir zu nehmen. Auch, wenn ich mich von allen Seiten ganz schön unter Druck gesetzt fühle und auch ab und an die Decke wieder auf meinem Haupt anklopft. Ich möchte die Sportübungen weiter machen, meinen Körper noch etwas stärken, bevor ich mich wieder ins Geschehen stürze. Auf der anderen Seite habe ich auch großen Respekt vor meinem „alten“ Leben. Werde ich das packen? Kann ich da anknüpfen, wo ich aufhören musste? Ich kann doch nicht einfach einen Schalter umlegen. Die Vorstellung daran scheint mir irgendwie unwirklich. Überhaupt die Vorstellung wieder „normal“ zu leben erscheint mir so weit weg und überhaupt nicht greifbar, auch, wenn sich das wohl möglich wieder schnell ändern wird. Auch an die ganzen Fragen und Blicke möchte ich nicht denken.

Bis dahin allerdings versuche ich, alles erst mal auf mich weiterhin zukommen zu lassen. Ich versuche auf mein Bauchgefühl zu hören und einfach zu sehen, wann ich soweit bin - Stress ist ja schließlich nicht gut für den Körper...

Mittwoch, 16. März 2016

Anschlussheilbehandlung - oder nennen wir es einfach mal Reha

Drei Wochen sind vergangen und ich komme erst jetzt dazu, die Dinge nieder zu schreiben. Am Donnerstag, den 24. März 2016, ging es für mich zur Anschlussheilbehandlung. Schatzi, wieder unabdingbar an meiner Seite, fuhr mich in die vier Stunden entfernte Klinik. Hier hatte ich mich nach langer Recherche für ein spezialisiertes Programm, extra für junge Erwachsene bis 32, angemeldet. Ich fuhr mit gemischten Gefühlen, auf der einen Seite war es ein doofes Gefühl gleich vier Wochen nicht Zuhause zu sein und wieder mein Umfeld wechseln zu müssen. Schließlich war ich ja lang genug durch die Krankenhausaufenthalte nicht Zuhause gewesen. Auf der anderen Seite freute ich mich aber. Ich hatte die Hoffnung, endlich wieder fit zu werden, Kraft zu tanken (auch innerlich) und einfach mal raus und weg zu kommen. Klar würde ich auch hier sehr mit meiner Krankheit oder die der anderen konfrontiert werden, aber es fühlte sich anders an. Alle sitzen wir im selben Boot. Hier muss sich niemand rechtfertigen für seine Launen, Gefühle, Traurigkeit, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Narben die innerlich oder äußerlich sind, Ängste oder Zukunftsangst. Nein, hier kann ich wirklich sein wie ich bin, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber anderen zu haben. Es ist nun mal alles verändert und das zum Teil für immer. Doch wirklich verstehen tut das leider keiner. Könnte ich als Außenstehender auch nicht. Also bin ich nachsichtig und versuche es auch von außen zu sehen, um keinen Unrecht zu tun...

Nachdem ich mich angemeldet und mein Zimmer gezeigt bekommen hatte, musste ich zum Aufnahmegespräch. Als sich die Tür des Oberarztes öffnete, musste ich lachend feststellen, dass man diesen aus dem Infofilm der Klinik und des Konzeptes aus dem Internet kennt. Das Gespräch war wirklich nett und ich hatte endlich mal das Gefühl, dass mir ein Arzt zuhört, einfühlsam ist und mich versteht. Er fragte mich nach meinen Zielen, was mich derzeit noch einschränkt und belastet und welche Sportprogramme mich interessieren würden. Anhand dessen wird mein Wochenplan erstellt. Diesen sollte ich abends bekommen.

Zum Mittag sah ich dann meine Gruppe. Mit dieser werde ich die nächsten vier Wochen verbringen, auch wenn nicht jeder immer die selben Kurse hat. Aber zu den Mahlzeiten, Ausflügen und Gruppenaktivitäten oder auch mal abends, sind wir immer zusammen. Insgesamt sind wir eine recht große Gruppe von 15 Leuten. Erschreckend stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass ich sogar die Zweitälteste bin. Ich bin schockiert! Zu meinem Erstaunen haben auch so einige diesen Morbus Hodgkin-Untermieter gehabt. Bei einer aus meiner Gruppe fühle ich mich fast, als sähe ich in einen Spiegel. Sie hat zwar zwei Zyklen mehr bekommen, Bestrahlung, noch kürzere Haare und der Tumor war um einiges größer, aber der Rest ähnelt allem so sehr, dass es fast schon erschreckend ist. Die Symptomatiken im Vorfeld, der Ärztemarathon, verbliebene Nebenwirkungen... Wahnsinn. Ich bin froh darüber, dass ich in meiner Gruppe einige Leute habe, mit denen ich mich – speziell zu meiner Krankheit – austauschen kann. Zwei Mädels sind sogar ein zweites Mal hier. Nach einem Jahr hat man nämlich die Möglichkeit, noch einmal eine Reha machen zu können. Es ist schön zu sehen, dass alles wieder bergauf geht, auch wenn bei beiden noch lange nicht wieder alles gut und „normal“ ist.

Meine drei Wochen waren bisher mehr als vollgepackt. Darunter viele Sportprogramme wie Gymnastik für den Bauch und Rücken, Wassergymnastik, Ausdauertraining, Body Workout, Muskeltraining und Krankengymnastik. Weiterhin gibt es einige Vorträge, an denen man teilhaben kann, so zum Beispiel für die gesunde Ernährung, Stressbewältigung, soziale Themen und Ansprüche und auch Fatigue. Letzteres fand ich noch einmal sehr interessant, auch wenn ich vor einiger Zeit darüber mal eine Broschüre gelesen hatte, in der ich mich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder fand. Doch nun erkenne ich so viele Symptome wieder. Ich dachte auch daran, wie sehr dieser Vortrag so vielen in meinem Umfeld gut getan hätte. So würden sie mich und so einiges sicher besser verstehen können... Die Leiterin des Kurses sagte, man soll in der Broschüre am besten alles markieren, was auf einen zutreffen würde und es den Mitmenschen zeigen, damit diese unsere Situation vielleicht besser verstehen könnten. Aber irgendwie finde ich es das auch doof. Ich will ja auch keinen mit der Nase drauf stupsen und ständig sagen, lies doch nach, dass hab ich und das ist mit mir oder meinem Körper los... Weiterhin gibt es noch diverse Gruppenaktivitäten wie gemeinsames Kochen, Sport, Gruppengespräche mit einer Psychologin, Ausflüge und Sport. Heute Abend startet auch das Projekt „Leinwand“. Hier bekommen wir die Aufgabe, eine Leinwand bis zum Reha-Ende anzufertigen. Wir sollen uns Gedanken machen, was zu unserer Truppe am besten passen würde und das dann zeichnen, kleben, mit Fotos gestalten oder sonstiges. Am Samstag steht dann noch ein letzter Ausflug an. Wir werden erst in die Bon Bon-Fabrik fahren und im Anschluss werden wir gemeinsam kochen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Ihr seht also, hier wird es nicht langweilig und auch die Zeit ging bisher so rasend schnell vorbei. Das hätte ich nicht erwartet. Und auch bloggen wollte ich eigentlich etwas öfter! Aber so ist es etwas kompakter, alles andere wäre wohl auch zu viel geworden. Und das schöne ist: der Blog ist ENDLICH aktuell und ich muss nicht mehr so weit in der Vergangenheit graben!!!

Alles Liebe aus der Ferne,

eure Jasmin

Donnerstag, 10. März 2016

Die erste (?) Nachsorge

Nun war es so weit – die erste Nachsorge stand nach drei Monaten an. Laut des Nachsorgeplans ist die erste Nachsorge direkt nach der Therapie, aber ich finde, es ist eher eine Kontrolle, ob es wirklich weg ist. Dann kann nachkontrolliert werden. Eigentlich sagte man mir auch mal, dass es eher eine Abschlussuntersuchung ist.

Erstaunlicher Weise hatte ich die Nacht davor gut geschlafen. Ein komisches Gefühl hatte ich vor dem Termin dennoch – musste ich doch genau auf die selbe Ct-Liege, auf der noch vor gut sechs Monaten die Biopsien entnommen wurden, die mein Schicksal besiegeln sollten. Ja, ein klein wenig Angst schlich sich durchaus ein, aber dennoch dachte ich sehr positiv. Das mich mein ehemaliger Untermieter noch mal unangemeldet überfallen würde und dann auch nach der kurzen Zeit, hielt ich so ziemlich für unmöglich.

Im Krankenhaus angekommen, wurde mir erst mal ein Zugang gelegt und Blut abgenommen. Dies geschah im überfüllten Chemoraum. Einige meiner Venen waren durch die Chemotherapien dahin gerafft worden. Umso überraschter war ich, dass sich meine eine, einst super Vene, nach Monaten endlich wieder an die Oberfläche gewagt hatte. Es war komisch wieder da zu sein und die Menschen zu sehen, die mitten in ihrer Therapie waren. Ich dachte automatisch an die Zeit, in der ich selbst hier saß. Ich dachte daran, wie ich immer etwas leckeres zu essen im Beutel hatte, vollgepackt mit Muttis Frauenzeitschriften, wie ich immer gedanklich die Liste abhakte wenn eines der vielen Medikationen durch war, wie Schatzi sich die Wartezeit mit dem Spielen auf seinem Handy vertrieb und ich immer aus den großen Glasfenstern schaute auf die Menschen, die nicht wie ich hier gefangen waren... Ich war froh, als ich wieder raus marschieren konnte.

Anschließend ging ich zum CT-Warteraum. Einige Zeit später kam ein Pfleger, der mich aufklärte. Er fragte mich, welches Therapieschema ich denn bekommen hätte. Er sagte, dass er das Beacopp esk.-Schema sehr gut nachvollziehen kann, sein Morbus Hodgkin sei nun 3 ½ Jahre her. Dann sagte er noch: „das Leben geht irgendwann wieder weiter.“ Irgendwie beruhigte mich das sehr, denn dieses Gefühl war leider noch immer nicht bei mir angekommen. Nun musste ich nochmal warten, da noch ein Mann vor mir dran war. Dann war es so weit, ich war an der Reihe. Nachdem ich meinen Oberkörper frei gemacht und mich hingelegt hatte, wurde das Kontrastmittel schon mal an meine Flexüle angeschlossen. Dann sollte ich die Augen schließen und wurde unter den CT-Ring gefahren. Einmal abscannen, tief einatmen, abscannen, Kontrastmittel-Injektion, abscannen, tief einatmen, abscannen und das war es auch schon. Nun sollte ich noch zehn Minuten warten, dann sollte mir die Flexüle gezogen werden.

Nachdem das Pflichtprogramm absolviert war, ging ich mit meinen treuen Begleiterschatzi noch in die Cafeteria. Dort traf ich noch auf einen sehr netten Arzt, der mich unter anderem auch in der Zeit mitbehandelt hatte und vor allen Dingen mit viel Geduld so einige meiner Fragen und Ängste beantwortet hatte. Danach ging es endlich heim – das reichte an Krankenhaus für den Tag. Knapp eine Woche später sollte dann der zweite Teil der ersten Nachsorge anstehen.

Eine Woche später war ich also noch einmal vor Ort. Heute sollte ein Ultraschall erfolgen, anschließend die Auswertung von meinem CT und meiner Blutuntersuchung. Die Schwester an der Anmeldung nahm mir gleich den Wind aus den Segeln – der Ultraschall wird heute eh nicht gemacht, der Arzt sei immer noch krank. Da es anscheinend nur einen Arzt in diesem Krankenhaus gab, der diesen Ultraschall hätte durchführen können, sollte ich mir dann später einen neuen Termin geben lassen. Schön, dass ich nun in ein paar Tagen vier Wochen erst mal zur Kur bin... Weiterhin informierte sie mich, dass auch mein Arzt nicht da sei. Es sei auch nur ein Arzt da, deshalb würde es wohl eine Weile dauern. So wartete ich eine ganze Weile, bis der Arzt mich aufrief. Zum Glück war mein netter Arzt da. Er fragte, wie es mir geht und checkte mich kurz durch. Er sagte, dass mein CT gut aussieht, das vernarbte Gewebe sei sogar noch etwas geschrumpft. Er wollte sich noch meine Blutwerte anschauen, stellte aber fest, dass diese nicht da waren... Ich gab ihm zur Durchsicht meine älteren Werte, die ich Anfang Februar ambulant hatte machen lassen. Diese sahen soweit gut aus. Lediglich die Leukozyten waren noch immer sehr niedrig und auch die Imunstatuswerte waren noch nicht so gut. Aber bis diese sich erholen, dauert es wohl auch noch etwas. Im Anschluss ließ ich mir einen neuen Ultraschalltermin geben sowie schon einen nächsten Nachsorgetermin für den Mai. Da würde dann allerdings nur noch eine Blutuntersuchung stattfinden. Wieder verließ ich mit einem doch recht neutralen Gefühl die Klinik. Natürlich freute ich, dass der Krebs tatsächlich weg war, aber da mein Leben mir noch immer so chaotisch und „unormal“ erschien, war für mich das Gefühl endlich wirklich frei zu sein nicht so wirklich vorhanden.

Mittwoch, 9. März 2016

Ab auf die Sonnenbank?

Ich hatte euch ja schon erzählt, dass ich in die HD-17 Studie eingeschlossen wurde. Dabei geht es ja darum, ob man eventuell die Bestrahlung nach der Chemotherapie weglassen könnte, um so Langzeitschäden vermeiden zu können. Auch wenn einer der Ärzte mir damals sagte, dass ich bestrahlt werden würde, war ich noch gar nicht in einen Studienarm eingeteilt worden, da dies immer nur nach Abschluss der Therapien erfolgt.

Und so rief ich eine Woche nach meinem Abschlussgespräch in der Studienzentrale an. Die Dame hatte immer noch nichts vorliegen und wollte sich telefonisch noch einmal erkundigen, ob es schon ein Ergebnis gibt. Bereits kurze Zeit später rief sie mich zurück. Sie hätte ein Fax bekommen – ich bin nicht im Arm der Bestrahlung. Ich war total überrascht. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich hatte mich innerlich schon wirklich darauf eingestellt. Also sollte es das nun gewesen sein? Fertig? Nichts kommt mehr? Ich habe alle Therapien abgeschlossen? Das konnte ich gedanklich überhaupt noch nicht annehmen. Wieder machte ich auf die Menschen um mich herum den Eindruck, als würde ich mich nicht freuen – was aber nun wirklich nicht stimmte. Es war für mich nur einfach noch nicht greifbar.

Abschlussuntersuchung

5 Tage später stand schon meine Abschlussuntersuchung an. Ich war aufgrund der letzten Chemotherapie noch immer nicht wirklich fit. Die Nebenwirkungen waren dieses Mal etwas besser, ich hatte aber auch alle Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen zu Hause eingeworfen, die ich finden konnte. So blieb zumindest alles an Ort und Stelle – auch wenn mir sehr übel war.

Ich meldete mich in der onkologischen Ambulanz an – schließlich musste meine Karte durchgezogen werden. Im Anschluss ging es in die Nuklearmedizin. Die Schwester rief mich auf, um mir meinen Venenzugang zu legen. Ich wies sie darauf hin, dass nur noch ein paar meiner kleineren Venen funktionieren würden. Schon war sie genervt und versuchte eine meiner kleinen Venen an zu peilen. Die Nadel lag zwar, aber es war kein Rücklauf da. Also stach sie ein zweites Mal in der Vene herum, ohne die andere Nadel vorher zu entfernen. Dieses ganze Gestochere tat wirklich weh und ging mir irgendwann gehörig auf den Kreislauf. Belächelnd sollte ich mich auf die Liege legen. Sie würde die Ärztin rufen, damit diese mir dann eine Nadel legt. Daraufhin kam die Ärztin und stach mich nun ein drittes Mal. Sie nahm natürlich den Handrücken, wo es immer so schön weh tut. Aber die Nadel saß endlich richtig. Ich war total genervt. Ich bekam nun das radioaktive Zeug injiziert und sollte dann im Wartebereich warten und das Zuckerwasser trinken. Die Liege im Arztzimmer verließ ich mit ordentlichen Blutspuren...

Nach einer Stunde wurde ich in den CT-Raum gerufen. Dort sollte ich meine Hose wegen des Metallknopfes ausziehen. Der Schwester ging es nicht schnell genug und witzelte: „Sie können auch die andere Hand nehmen, die können Sie durchaus trotzdem bewegen.“ Noch immer genervt machte ich ihr klar, dass die frisch gestochene Stelle mir bei der Bewegung weh tut... Nun lief das Pet-CT. Nach einiger Zeit wurde ich an das Kontrastmittel angeschlossen und die Ärztin führte einen kleinen Probelauf durch, um sicher zu gehen, dass die Nadel auch wirklich in der Vene liegt. Als das Mittel einschoss drückte und schmerzte es in meinem Handrücken. Die Ärztin schaute nach und sagte, dass die Nadel aber richtig liegen würde. Also ging es noch einmal mit Kontrastmittel in die letzte Runde. Im Anschluss schmiss die Schwester mir, mit einen auf die Nadel bezogenen Wink, noch mal einen Spruch um die Ohren. Ich überhörte ihn und zog mich an.

Ich war einfach nur froh, als ich wieder Zuhause war. Der Tag war für mich einfach nur eine Tortur gewesen und ich war völlig fertig.

Eine knappe Woche später sollte ich zur Auswertung kommen. Ich war sehr nervös. Ich hatte doch Bedenken, ob und wie die Therapien angeschlagen hätten und wie es nun für mich weitergehen würde. Nach langem Warten rief mich der Arzt ins Zimmer und sagte mir, in seinem für mich erst nicht verständlichen Arztjargon, dass es kein aktives nachweisbares Gewebe mehr gibt, sondern lediglich inaktives Restgewebe. Zu Deutsch: ich war geheilt! Er sagte mir weiterhin, dass die Spezialklinik sich das CT noch einmal anschauen wird und auch anhand dessen entscheidet, in welchen Studienarm ich eingeteilt werden würde. Ich sollte mich telefonisch in einer Woche noch einmal im Studienbüro melden.

Sonntag, 28. Februar 2016

Schluss – aus – Ende! Der letzte macht das Licht aus!

Am 2. November war es tatsächlich so weit – die letzte Therapie stand an. Nachdem ich, wie üblich, wieder das Blut kontrollieren lassen hatte, ging es zum Arzt. Anschließend wartete ich wieder auf die bestellte Chemotherapie. Zwischenzeitlich ging ich noch ins Schwesternzimmer, ließ mir ein Rezept für meine Spritze (für die weißen Blutkörperchen) ausstellen und ließ mir einen Termin für das Pet-CT geben. Dieses sollte, komischer Weise, schon direkt fünf Tage später stattfinden. Ich fand es merkwürdig, denn bis die Medikationen vollends wirken, dauert es in der Regel ja immer um die 14 Tage. Innerlich hatte ich mir dieses Mal vorgenommen, einen Countdown zu machen – immer gedanklich die Medikamente abstreichen, bis das letzte durch ist und ich somit hoffentlich Chemo-frei bin.

Da meine erneute Hormon-Spritze nach den drei Monaten anstand, hoffte ich, dass ich diese zuerst abhaken könnte. Die Schwester sagte mir, dass sie mir diese aber erst nach der Therapie geben würde. Also einen Schritt gedanklich übersprungen... Da der Arzt nach meinem Medikament gegen Übelkeit keine Zeit hatte mit die Bolus-Spritzen zu verabreichen, gab es dieses Mal für mich danach direkt den Chemotherapie-Beutel. Erst dann riefen die Schwestern erneut bei dem Arzt an. Nach einigem Warten gab es endlich das letzte Mal die Spritzen. Ich hakte gedanklich weiter ab. Zum Schluss lief wieder Flüssigkeit durch. Das Grobe war tatsächlich durch – so richtig konnte ich es nicht glauben. Anschließend bekam ich noch meine Spritze für die nächsten drei Monate Wechseljahre – da ich noch nicht wusste, ob ich noch bestrahlt werden würde oder nicht. Dann verließ ich mit Schatzi an der Hand das Krankenhaus. Aber das glückliche Gefühl, was alle immer von einem erwarten, blieb aus. Ich fühlte und realisierte einfach noch nicht, dass ich nun frei sein sollte...

Rohverstopfung nach drittem Anlauf aufgelöst

Da mir mein Freund tapfer, je einen Tag nach der Therapie die Depotspritze verabreichte, dachte ich, dass ich nun bestens gewappnet sei und ich so gesundheitlich noch gut bis zum Therapieende durch schlittern könnte. Es war ja schließlich auch fast geschafft. Ich sah bereits das schillernde Band zum Durchrennen des Ziels. Und dann musste ich doch noch einen Umweg gehen, statt gerade durchlaufen zu können...

Natürlich, wie immer kurz vor dem Wochenende, machte sich der nächste Murks bereit. In meinem rechten Arm machten sich starke Schmerzen bemerkbar – eben in diesem Arm, wo ich bei und nach der letzten Chemotherapiegabe schon Schmerzen bekam. Ich dachte, dass die Vene vielleicht noch immer sehr gereizt sei. Die Schmerzen wurden immer stärker. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Kein Schmerzmittel half.

Am Freitag machte ich mich also auf in die onkologische Ambulanz des Krankenhauses. Der Arzt schaute nur kurz auf den Arm und drückte ein paar mal drauf. Da nichts geschwollen oder gerötet war, meinte er, dass es wohl nur gereizt sei, ich solle doch noch ein paar Tage abwarten. Wenn es nicht besser wäre, sollte ich wiederkommen.

Zuhause wusste ich vor Schmerzen nicht wohin mit mir. Nachts konnte ich auch kaum schlafen. Ich quälte mich noch durch den Samstag, bis ich abends nicht mehr konnte. Also ging es relativ spät in die Notaufnahme. Dort musste ich sehr lange warten. Noch angeschlagen von der Therapie und auch vor Schmerzen schien es sich unendlich hin zu ziehen. Nach einer Blutabnahme sollte ich zum diensthabenden Arzt. Dieser schaute ebenso nur kurz auf den Arm und befand ihn für in Ordnung. Er gab mir ein Opiat und ich sollte noch mal Platz nehmen und schauen, ob es die Schmerzen weg nimmt. Nichts passierte. Dann bekam ich noch eine Tablette von dem Opiat. Wieder nichts... Er stellte mich noch kurz einem Neurologen vor, der auch nichts feststellen konnte. Auf meine Nachfrage nach einem Ultraschall passierte auch wieder nichts.

Nachts um halb eins rief er mich erneut rein. Er wüsste nicht mehr weiter und er würde jetzt meinen Arztbericht ausdrucken. Wenn es nicht besser wird, soll ich Montag noch mal in die Ambulanz gehen, er kann jetzt auch nichts weiter machen. Ich sagte ihm, dass ich das mehr als unbefriedigend finde. Ich habe immer noch die höllischen Schmerzen und was es ist, weiß ich auch nicht. Dann schleuderte er mir folgenden Satz vor die Füße: „Sehen Sie es mal so – Sie sterben ja nicht.“ Unter „normalen Umständen“ wäre es schon ein Unding gewesen, jemandem der Schmerzen hat und stundenlang in der Notaufnahme sitzt, das entgegen zu hauen. Einem Krebspatienten gegenüber so eine Aussage zu machen – da fehlen mir die Worte. Anhand meines Gesichtsausdruckes und verächtlichen Schnaubens, schob er rasch hinterher: „Das einzige was ich aktuell machen kann, ist die Schmerzen zu lindern.“ „Diese sind aber nicht annähernd besser geworden.“ „Da kann ich dann auch momentan nichts machen. Da müssen Sie Montag in die Ambulanz gehen und es da abklären lassen.“ Ich war einfach nur wütend und aufgelöst. Auf der einen Seite waren da diese unerträglichen Schmerzen und dann noch dieser desinteressierte und unfähige Arzt - nach meinem stundenlangen Warten. Ich dachte immer, die Notaufnahme sei dafür da, Menschen in Not zu helfen... Auf dem Weg nach Hause wurde mir durch die Opiate auch noch sehr übel. Ich fiel einfach nur noch völlig erschöpft gegen zwei Uhr morgens ins Bett.

Nachdem ich am Sonntag vor Schmerz fast nur gelegen hatte, fand ich mich nun am Montag in der onkologischen Ambulanz ein. Wieder war ich bei meinem Arzt und er schaute nochmals auf den Arm. Er meinte, dass es eigentlich gut aussieht und fragte mich, ob er denn dicker sei als der andere. Sollte das nicht seine Aufgabe sein, dies zu sehen? Nach nochmaligem Wunsch nach einem Ultraschall, gab er mir einen Überweisungsschein und ich ging in die Abteilung der Angiologie. Mit etwas Glück könnte ich heute noch dran kommen. Nach einiger Wartezeit rief mich der Arzt auf. Dieser war sehr nett. Er schaute nur kurz per Ultraschall drauf und siehe da: eine Teilvenenthrombose. Vor „Erleichterung“ hätte ich heulen können. Man zweifelt doch selber schon an sich, wenn einem keiner glaubt oder einfach so wieder weg schickt. Ich bekam einen Verband mit dick aufgetragenem Schmerzgel. Dies sollte ich drei Mal täglich anwenden und den Arm kühlen. Als ich sagte, dass ich noch eine letzte Chemotherapie vor mir habe, schaute er sich meine anderen Venen an. Er bestätigte mir, dass meine zwei großen Venen nicht mehr brauchbar wären. Er schaute, welche Vene man noch nehmen könnte. Da blieb leider nur noch eine übrig, denn den rechten Arm sollte ich nicht nochmal verwenden. Diese war aber ebenso sehr dünn, sodass ich Gefahr lief, dass so etwas noch einmal passieren könnte.

Ich kühlte fleißig und rieb den Arm mit der Schmerzsalbe ein. Bereits nach zwei Tagen merkte ich schon eine Verbesserung des Schmerzes. Bis zur nächsten Therapie war sogar schon fast wieder alles in Ordnung.

Mittwoch, 24. Februar 2016

Vorhang auf für den vierten Akt

Nachdem ich meine verschobene letzte Gabe nachgeholt und wieder fleißig mit den blöden Nebenwirkungen gekämpft hatte, stand nun der Start des vierten Zyklus an. Dieses Mal dauerte alles nicht ganz so lang. Nachdem ich etwas bedröppelt aus dem Arztgespräch kam, in dem man mir sagte, dass ich wohl in dem Studienarm der Bestrahlung eingeteilt worden war, ging es fast schon wieder weiter. Nachdem ich das Mittel gegen die Übelkeit bekommen hatte, kam der Arzt und spritze mir die Bolus-Spritzen. Direkt kurze Zeit später wurde mein Arm rot und heiß. Es brannte wie Feuer. Der Arzt schaute noch mal vorbei und meinte, dass es an der kleinen und dünnen Vene liegen könnte. Da sich nun auch an diesem Arm die nächste große Vene verabschiedet hatte - wie die Schwester durch mehrfachen hartnäckigen Stechen und Geschiebe feststellte - mussten wir nun auf die Kleinen ausweichen. Die Schwester spülte mit Kochsalz nach. Dann wurde der Beutel mit der Chemotherapie angehangen. Auch hier mussten wir einige Male zwischendrin durchspülen und auch die Infusion etwas langsamer einstellen, damit mein Arm nicht mehr brannte. Auch heute waren wieder die Infusionsrädchendreher wieder auf Hochtouren unterwegs – doch dieses Mal nicht mit mir, langsam hatte ich die Nase gestrichen voll...

Bereits im Auto merkte ich, dass es mir nicht so gut ging und war froh, als wir Zuhause angekommen waren. Diese Chemotherapie war von den Nebenwirkungen wirklich die schlimmste für mich. Ich musste mich mehrfach übergeben, mein ganzer Körper war heiß und schwitzte, ich hatte Magenschmerzen, Kreislaufprobleme, Schmerzen... Und nicht eine Minute erholsamen Schlafes konnte ich ergattern. Es war wirklich ein Horror. Mein Freund war einfach nur hilflos und wusste nicht, wie er mir helfen konnte. Ich muss gestehen, dass ich nach dieser Therapie das erste mal dachte: „Ich will das nicht mehr.“

Dienstag, 23. Februar 2016

Therapie 3.2.

Nun konnte ich, wenn auch leicht verspätet, mit der letzten Gabe der dritten Therapie beginnen. Auch wenn ich es erst doof fand, dass sich die Therapie verschoben hatte, so war ich doch auch ganz froh, weil es mir nun von den Nebenwirkungen her weitaus besser ging. Wenn das sonst der Fall war, stand eigentlich schon fast wieder die nächste Therapie vor der Tür.

Auch dieses Mal wartete ich ewig auf meinen Therapiebeginn. Erst wartete ich nach der Blutabnahme fast zwei Stunden auf mein Arztvorgespräch und im Anschluss noch einmal so lang. Gegen 14 Uhr ging es dann endlich los. Selbst der Chemo-Raum war um diese Uhrzeit schon um einige Patienten leerer. Es folgte wieder etwas gegen die Übelkeit, zwei Bolus-Spritzen und die Therapie. Es neigte sich der Feierabend der Chemo-Schwestern und so wurde das Rädchen der Infusion gern mal ein wenig schneller gedreht. Ob sich die Nebenwirkungen dadurch verstärken würden, lag wohl wieder nur in meiner Sorge. Als wir endlich zum letzten Beutel mit Flüssigkeit kamen, war ich die letzte im Raum und bereits alle Schwestern, bis auf eine, im Feierabend. Im Gegensatz zu den anderen Schwestern, die schon wieder an meinem Infusionsrädchen herum gespielt hatten, nahm sie die Sache gelassen und wartete bis die Infusion durch war. In aller Ruhe druckte sie mir sogar noch meine Rezepte aus, die ich für meine Medikamente brauchte.

Natürlich war ich nicht annähernd überrascht, dass ich abends mit starken Nebenwirkungen zu kämpfen hatte. Aber damit hatte nur ich zu kämpfen, alle anderen waren ja bereits im Feierabend...

Eigentlich mag ich Rosen

Vier Tage später war ich wieder zu Blutabnahme bei meinem Onkologen. Das Blutbild war wieder nicht so doll, die weißen Blutkörperchen waren wieder unter der Norm. Außerdem hatte ich seit dem Vorabend schmerzende, leicht rote Hautstellen. Da sich bereits seit der ersten Therapie damals Haut- und Nervenschäden sichtbar gemacht hatten, dachte ich, dass es sicher wieder so etwas sein wird. Nur, dass ich sonst eigentlich keine Schmerzen hatte. Der Arzt schaute sich die Stellen an und gab mir eine Handcreme für sehr trockene Haut und Neurodermitis mit. Was ich damit sollte, war mir dann doch etwas fragwürdig. Also ließ ich erst mal alles so wie es war. Am Abend wurden die Schmerzen wirklich schlimm. Die Haut rötete sich noch mehr und kleine Punkte bildeten sich. Ich schaute mir die Stellen an und hatte einen leisen Verdacht – dieser sollte sich am nächsten Tag bestätigen.

Am nächsten Tag hatte ich immer noch dolle Schmerzen. Die Stellen sahen auch nicht besser aus und so fuhr mein Papa mit mir erneut ins Krankenhaus. Da Samstag war, musste ich in die Notaufnahme. Dort kam ich erstaunlich schnell dran. Ein kurzer gemeinsamer Blick von zwei Ärzten reichte. „Das ist sehr eindeutig Herpes Zoster“. Herpes? „Ja, ganz klassisch eine Gürtelrose. Sie müssen leider hier bleiben. Die Medikamente müssen über Infusionen verabreicht werden.“ Schon wieder ins Krankenhaus einchecken. Klasse. „Was ist wenn ich die Therapie dadurch verschieben muss?“, schoss mir sofort durch den Kopf. Ich war bedient. Auf die angekündigte Schmerztablette warte ich im übrigen bis heute.

Mal wieder auf Station angekommen, sagte mir der Arzt, dass ich nun drei Mal täglich Infusionen und zusätzlich Schmerzmittel bekommen würde. Die Schmerzmittel waren sehr wichtig, weil sich der Körper diesen Nervenschmerz sonst „merkt“ und ich einen chronischen Schmerz entwickeln könnte. Zusätzlich würde der Arzt einen Dermatologen befragen, ob man noch etwas auf die Stellen auftragen kann. Wie lange das in etwa dauert, konnte er mir nicht sagen. Man müsse erst warten, bis die Bläschen ihren Höchststand erreicht haben und dann anfangen ab zu trocknen. Erst dann könnte ich eventuell wieder nach Hause und ambulant weiter behandeln. Bis dahin müssten wir einfach tagtäglich abwarten.

Von da an gestaltete sich fast jeder Tag gleich: 7 Uhr morgens Infusion, auf die Visite warten, gesagt bekommen, es sähe noch nicht gut aus und wir schauen Morgen wieder – es kann da alles schon ganz anders aussehen. 15 Uhr Infusion. 23 Uhr – wenn man meistens gerade eingeschlafen war, kam die nächste Infusion.

Das Spiel zog sich so bis zum 9. Tag. Da ich noch immer die selbe Flexüle im Arm hatte, merkte ich bei der morgendlichen Infusion, dass mein Arm und Bett komplett nass war. Ich musste auf den Arzt warten, weil nur er mir eine neue Flexüle legen durfte. Seitdem die Nadel ewig in dieser Vene lag, hatte diese sich (sogar bis heute!) verabschiedet. Da Wochenende war, wartete ich wieder Ewigkeiten. Lustiger Weise war der Wochenend-Arzt mein erster behandelnder Arzt von der Sarkom-Station. Er legte mir eine neue Nadel und sagte, er hätte doch eigentlich gedacht, dass ich nur die zwei ABVD-Therapien bekommen würde. Aber da wohl meine Blutsenkung ein Risikofaktor war, entschied man sich wohl doch lieber für die jetzige Therapieform.

Am Abend und auch am nächsten Morgen brannte die Infusion höllisch in meinem Arm. Ich weiß nicht, ob es an der kleinen und dünnen Vene lag oder weil die Nadel einfach nur komisch lag. Man sagte mir, ich solle das später mit der neuen Stationsärztin klären. Als sie später kam, schaute sie sich meine Stellen an und fragte mich, wieso man das denn nicht mit Tabletten Zuhause behandelt hätte. Ich dachte, ich höre nicht richtig... Sie sagte, dass die Stellen sehr langsam anfangen würden ab zu heilen und ich Zuhause mit Tabletten weiter behandeln kann. Sie nahm vorsichtshalber nochmals Blut ab und schickte mich nach Hause. Nun sollte ich auch nach meinen Therapien wieder die Depotspritze bekommen. Meine letzte Gabe des 3. Zyklus hatte sich somit nun um eine Woche nach hinten verschoben...

Runde 3 mit neuem Spielplan

Nachdem meine Blutwerte vor dem Wochenende noch ein mal durchgecheckt worden waren, dürfte ich am 14.09.2015 mit meinem dritten Zyklus weiter machen. Nun ging es mit dem ABVD-Schema los. Hierbei erfolgt je eine Therapie an Tag 1 und 15. Die Nebenwirkungen sollten sich hier kaum unterscheiden, beziehungsweise mit etwas Glück ein bisschen abgeschwächt werden. Auch die Blutwerte sollten nicht mehr ganz so extrem abfallen – zumindest was die roten Blutkörperchen betrifft. Ab jetzt dürfte ich außerdem die Therapien komplett ambulant weiter führen.

Vorsichtshalber wurde noch mal das Blut durchgecheckt. Hier war noch immer alles in Ordnung. Nachdem ich wieder ewig im Wartebereich warten musste, musste ich noch mal zum Arzt rein. Im Anschluss ging ich in den Chemo-Raum. Hier sagte man mir, dass meine Chemotherapie noch nicht mitgekommen sei, obwohl sie ja schon am Freitag freigegeben wurde, weil meine Blutwerte wieder stabil waren. Also wartete ich wieder... und wartete... und wartete... Nach mehrmaligen Fragen und knapp zwei Stunden warten und liegen im Wartebereich (wir erinnern uns, es war Hochsommer bis an die 40 Grad und der Kreislauf durch die vergangenen Chemotherapien eh noch sehr geschwächt), war die Chemo-Schwester ratlos. Kurzer Hand schnappte sie mich und schleppte mich in die unterste Etage durch das gesamte Gebäude. Sie klingelte mit mir bei der Stelle, wo die Medikationen hergestellt und angemischt werden. Sie schob mich vor und beschwerte sich bei dem Mitarbeiter, weil ich nun schon so lange auf meine Therapie wartete. Dieser sagte ihr, dass die Therapie schon längst angemischt und laut PC auch schon raus geschickt wurde – mit dem Zusatz, ob sie denn auch nicht im Kühlschrank gewesen wäre. Unsicherheit machte sich im Gesicht der Schwester sichtbar. Also wankte ich mit ihr wieder zurück in den Chemo-Raum. Welch Überraschung, da lag sie einsam und verlassen im Kühlschrank - seit über zwei Stunden fertig auf mich wartend...

Dann ging es auch mal endlich los: etwas gegen die Übelkeit, zwei Bolus-Spritzen, einen Chemo-Beutel und dann noch Flüssigkeit. Im Anschluss ging es nach Hause. Eine Depotspritze für meine weißen Blutkörperchen gab es dieses Mal nicht – denn schließlich sollte das Blutbild meistens nicht mehr ganz so arg abfallen...

Montag, 22. Februar 2016

Blood to go

An einem der darauf folgenden Tage fand ich mich wieder in meiner onkologischen Praxis zu meiner Blutbildkontrolle ein. Dieses fiel dieses Mal sehr schlecht aus. Die Leukozyten waren wie immer sehr niedrig und auch die roten Blutkörperchen waren dieses Mal extrem angeschlagen. Ich fragte meinen Arzt, wie ich mich verhalten soll. Im Krankenhaus hatte man mir gesagt, dass ich mich dort einfinden soll, wenn die Werte unter der Norm liegen. Mein Arzt sagte mir, dass alles noch so in Ordnung wäre... Ich war sehr verunsichert und rief später im Krankenhaus an. Die Schwester konnte mir am Telefon auch keine Auskunft geben und so überlegte ich, ob ich dann eventuell doch lieber am nächsten Tag in die Ambulanz des Krankenhauses fahren sollte. Die Antwort präsentierte sich mir bereits am nächsten Morgen auf dem Silbertablett. Naja eher unter meiner Haut. Ein sehr kleines aber feines Blutungszeichen zierte mein Knie. Erschrocken sprang ich sofort aus dem Bett und machte mich für eine erneute Fahrt in die Klinik fertig. 



Meine beste Freundin war so lieb, alles sofort stehen und liegen zu lassen, um mich ins Krankenhaus zu fahren. Im Wartebereich hoffte ich sehr, dass ich keine Bluttransfusion bekommen muss. Doch nach einem erneuten Blutbild und der Draufsicht der Ärztin gab es kein Entkommen: ich brauchte dringend ein frisches Beutelchen erlesensten Blutes. Das Blut wurde bestellt. Nach einer knappen Stunde musste ich mich im Chemo-Raum einfinden. Mir wurde der Zugang gelegt und ich bekam den Beutel dran gehangen. Anders als erwartet hing da kein dunkelroter Beutel, sondern eine weiße dickliche Flüssigkeit. Also gefilterte Plättchen und Proteine. Für mich war die Vorstellung, von jemand anderem Blut oder dessen Bestandteile zu bekommen, irgendwie komisch. Ich sträubte mich innerlich irgendwie sehr dagegen, auch wenn ich natürlich sehr froh sein konnte, dass es so tolle Spender gibt, die damit natürlich auch Leben retten. Die Transfusion ging recht schnell. Danach folgte noch mal ein Blutbild, auf dem die Werte der roten Blutkörperchen förmlich zu explodieren schienen. Frisch aufgetankt ging es wieder nach Hause.

Der zweite Startschuss ist gefallen

Am 24.08.2015 sollte der Startschuss für den zweiten Zyklus fallen. Ich sollte schon in der Früh im Krankenhaus sein, damit man pünktlich mit der langen Therapie beginnen könne. Nach einer kurzen Aufnahme sagte man mir, dass die Chemotherapie zwar bestellt, aber noch nicht da wäre. Also musste ich mich weiterhin gedulden. Ich fragte nach, ob es denn nun schon eine Auswertung von meinem Knochenmark gäbe. Diese war zum Glück in Ordnung. Auch in der Mittagslieferung war meine Chemotherapie noch nicht mit dabei. Ich war genervt. Die Schwester sagte mir, dass ich eventuell sogar erst am Abend damit rechnen könne. Zum Glück kam meine Therapie aber dann mit der Nachmittagslieferung. Die Medikation war die selbe wie beim ersten Zyklus. Auch hier merkte ich die starke Übelkeit direkt nach ein paar Stunden und ich musste mich mehrfach übergeben. Trotz der vielen Gegenmittel half einfach nichts. Nachts konnte ich auch wieder kaum schlafen.

Am nächsten Morgen sollte ich mich, wie gewohnt, nach der Morgenrunde der Schwestern wiegen gehen. Durch das ganze Erbrechen am Abend war ich noch total schwach auf den Beinen. Langsam pirschte ich mich über den langen Flur zur Waage vor. Ich merkte, wie mir schummerig wurde. Doch bevor ich es zur Sitzgruppe schaffte, versagte auch schon mein Kreislauf. Ich merkte nur noch wie einer der Pfleger schnell meinen Kopf auffing und ich auf mein Knie stürzte. Die Schwestern holten mein Bett und damit waren die Ausflüge außerhalb meines Zimmers für diesen Tag beendet. Trotz allem ging es mit meiner Therapie weiter.

Am dritten Tag lief alles relativ schnell und recht unproblematisch. Die Nebenwirkungen waren zwar immer noch da, aber es ließ sich alles noch verkraften.

Am nächsten Tag dürfte ich auch wieder nach Hause. Mein Kreislauf hatte sich wieder etwas stabilisiert. Vorher gab es auch wieder die Depotspritze für die Leukozyten.

Pünktlich nach dem Wochenende fand ich mich am Montag zu meiner letzten Gabe für meinen 2. Zyklus wieder im Krankenhaus ein. Nach meinem Blutbild sollte ich erst mal im Warteraum Platz nehmen. Noch immer hatte ich ganz schön Kreislaufprobleme und es war wieder unsagbar heiß draußen. Trotzdem ich viel Wasser trank und saß sackte mein Kreislauf erneut ab. Ich musste in der Notaufnahme auf die Tagesstation und bekam einen Beutel Flüssigkeit über die Vene. Nach Rücksprache mit meinem Studienarzt sollte meine Therapie auf den darauf folgenden Tag geschoben werden.

Am nächsten Tag klappte dann soweit alles ganz gut. Ich bekam meine zwei Bolus-Spritzen und etwas Flüssigkeit. Dann dürfte ich wieder nach Hause. Der zweite Zyklus sowie das BEACOPP-Schema war geschafft! Halbzeit!

Sonntag, 21. Februar 2016

Bye bye B-Symptomatik

Als man vor Therapiebeginn mein Stadium feststellte, wurde mir gesagt, dass ich das Stadium 1B hätte. Also eine „sehr gute“ Ausgangssituation. 1, weil nur ein Lymphknoten befallen war und B aufgrund der zusätzlichen Symptome. Davon hatte ich folgende: Hautausschlag beziehungsweise juckende Haut, Alkoholschmerz und Nachtschweiß und immer mal leicht erhöhte Temperatur. Abgenommen, wie sonst sehr viele Krebspatienten, hatte ich nicht. Über meine Hautprobleme und den Nachtschweiß hatte ich in meinem ersten Blogeintrag berichtet. Das es einen so genannten Alkoholschmerz gibt – davon hatte ich bisher noch nie gehört. Aber ich erinnere mich noch genau. Alkohol trinke ich sehr selten, meistens nur bei besonderen Anlässen. 2014 war ich mit meinem Arbeitsteam auf dem Weihnachtsmarkt. Dort hatte ich einen Glühwein getrunken. Und als wir da gemeinsam so saßen, hatte ich plötzlich wieder extreme Schmerzen im Schulterblatt. Ich dachte der Schmerz sei wieder schlimmer geworden, weil ich keine Lehne hatte und so komisch saß – dass es im Nachhinein aber ein B-Symptom war, ist wirklich verrückt. Das ich immer mal Temperatur hatte, war mir im Vorfeld nicht aufgefallen. Ich war immer jemand der sehr selten Fieber bekommt, auch wenn ich wirklich krank war. Somit hatte ich nicht weiter nachgemessen, da ich mich ja unentwegt in einem leichten Krankheitszustand befand. Im Krankenhaus hatte ich dann oftmals am Anfang bis zu 38 Grad Fieber.

Bereits nach meiner ersten Therapie waren diese Symptomatiken verschwunden. Das Fieber blieb aus, der Ausschlag, der seit Monaten da war, verschwand innerhalb einiger Tage. Und das Erlösenste: der Schmerz verschwand. Endlich konnte ich wieder auf der Seite, ja sogar auf dem Bauch schlafen. Das konnte ich nun schon über ein halbes Jahr nicht mehr. Und genau das sagte und zeigte mir, dass ich auf einem guten Weg war und die Therapie bereits schon angefangen hatte anzuschlagen. Die ersten kleinen Schlachten waren geschlagen...

Sie hatten (k)eine neue Frisur bestellt?

Bereits vor meinem Therapiebeginn hatte ich unglaubliche Angst vor meinem Haarausfall. Bei dem Gedanken daran litt ich unheimlich. Ich liebte meine Haare und konnte mir weder vorstellen noch akzeptieren, dass sie mich verlassen sollten. Auf den Tipp hin, mir die lange Haare im Vorfeld deutlich kürzen zu lassen, hatte ich mich einen Tag vor Beginn der ersten Therapie mit Schatzi aus dem Krankenhaus geschlichen und fuhr, zusammen mit meiner Flexüle im Arm, zum Friseur. Die Friseurin schaute etwas merkwürdig, verstand dann glaube ich, wieso ich letzten Endes da war. Dort ließ ich mir dann einen Bob schneiden. Ich hatte noch nie so kurze Haare. Allein das grobe Abschneiden meiner Haare war der Horror. Ich saß einfach nur starr da, schaute in den Spiegel und sah wie meine geliebten Haare fielen... Schatzi fand den Haarschnitt gar nicht schlecht. Ja, er stand mir, aber das war einfach nicht ich und ich war auch einfach gezwungen ihn von jetzt auf gleich anzunehmen. Schatzi fragte mich, ob ich noch mal schauen wolle, als die Friseurin meine Haare weg fegte. Mit einen knappen „nein“ war das Thema beendet. Im Krankenhaus fiel den Pflegern und Schwestern direkt die frisch geföhnte Frisur auf und es hagelte Komplimente. Da sich meine Freude in Grenzen hielt, antwortete ich mit einem müden Lächeln: „Naja, wird wohl leider eh nur ein kurzes Vergnügen bleiben.“

Zuhause fing ich dann schon an, all meine vielen Haarpflegeprodukte auszusortieren und auch Cremes und Sprays, die meine Haut nicht mehr so gut vertragen hatte. Es ist Wahnsinn, was man alles so ansammelt und so unbedingt braucht. Damit hätte ich direkt einen kleinen Basar auf machen können. Und so hatte ich fast drei große Tüten zusammen, die in den Besitz meiner Schwester oder Mama über wanderten...

Ich hatte im Vorfeld im Internet recherchiert, wann es denn in etwa passieren wird, damit ich wenigstens ein bisschen vorbereitet war. Viele sagten, dass der Haarausfall zwischen dem 12. und 14. Tag anfing. Und wirklich. Pünktlich am Tag 13 begann es zu rieseln... Einen Tag zuvor zuppelte ich noch noch leicht und dachte, „Mensch da passiert ja zum Glück noch gar nichts“ – und dann von heute auf Morgen das... Von da an litt ich jeden Tag Höllenqualen. Ich traute mich schon gar nicht mehr morgens und abends die Haare zu kämmen, es war jedes Mal eine einzige tränenreiche Tortur. Allein, wenn ich über die Haare strich, hatte ich die Hände voll davon. Tagsüber machte ich mir einen Zopf, der von Tag zu Tag dünner und dünner wurde... Meine Kopfhaut schimmerte nun mehr als deutlich durch. All das Rübergekämme, wie es die alten Männer so gern tun, half nichts mehr. Da nun der zweite Zyklus vor der Tür Stand und ich nicht auch noch meine letzten drei Haare im Krankenhausbett verteilt haben wollte, musste Tag X wohl nun kommen...

Der arme Schatzi hatte die ehrenvolle Aufgabe, mich von meinen letzten paar Haaren zu befreien. Schon beim Geräusch des Rasierers liefen meine Tränen. Es war ein einziges, minutenlanges Drama. Ich wollte meine Haare im Waschbecken nicht mehr anschauen und mich so schon gar nicht. Ich setzte direkt eine meiner gekauften Mützen auf und rollte mich auf dem Sofa zusammen.

Erst nach ein paar Stunden schaffte ich es vorsichtig in den Spiegel zu schauen. Vorher hatte ich immer mit den Händen angetestet, was sich von nun an unter der Mütze verbergen würde. Da stand ich nun und schaute die fremde Frau in dem Spiegel an. Sie sah aus wie ich und dennoch so fremd. Da war sie nun, die nicht bestellte „Frisur“ für die nächsten Monate...

Obwohl ich so sehr gelitten und mich gewehrt hatte, um jedes Haar noch so verzweifelt gekämpft hatte: mir ging es sehr viel besser als die Haare weg waren. Die Tränen bei jedem Bürstenstrich waren verschwunden. Traurig war ich natürlich oft noch, aber ich gewöhnte mich dennoch daran. Und wenn nicht, gab es diesen wunderbar echt wirkenden Fiffi, den mir meine lieben Eltern aus dem Perücken-Studio geschenkt hatten...