Es
war Juli 2014, zwei Tage nach meinem 27. Geburtstag hatte ich meinen
Arbeitsplatz gewechselt und eine neue Stelle begonnen. Noch gerade
einen Tag vorher hatte ich nach meinem Sommerschnupfen eine nervige
Bindehautentzündung verabschiedet. Bereits einige Wochen danach
bekam ich meinen nächsten, leichten Schnupfen und Halsweh. Ich
fühlte mich nicht richtig krank, aber auch nicht wirklich gesund und
fit – nicht weiter schlimm, denn ich wusste ja noch nicht, dass
mich dies nun unentwegt und Monate weiter so begleiten sollte. Es
folgte eine dicke Erkältung, dann wieder leichter Schnupfen und
Halsweh, dicke Erkältung, leichter Schnupfen und Halsweh...
Spätestens wenn Ärzte nicht mehr weiter wissen, wird Antibiotikum
verschrieben. Ob es nun sinnvoll ist oder nicht – in den meisten
Fällen ist es das ja nicht. Und wenn dann immer noch alles komisch
ist, kann das Antibiotikum ja nicht geholfen haben, also geben wir
noch mal eins obendrauf. Und so kam es, dass ich nach diesem
Antibiotikum extremes Erbrechen, Durchfall und sogar Fieber bekam,
was für mich auch bei doller Krankheit immer eine reine Seltenheit
ist. Ich wechselte den Arzt, da meine Antibiotikum-Ärztin im Urlaub
war – ein wahrer Traum von Ärztin, die wie sich zeigen wird, sich
auch wahrlich für ihre Patienten interessiert und auf des Rätsels
Spuren begibt. Schnell stellte sie nach einer Probe fest, dass das
Antibiotikum meine Darmflora völlig geschädigt hatte: ich hatte
eine pseudomembranöse (antibiotikaassoziierte)
Kolitis. Und weil
man so gerne böses mit bösem bekämpft musste ich wieder ein
Antibiotikum nehmen, da man die bösen Bakterien sonst nicht abtöten
kann. Nach der halben Antibiotikum-Therapie musste ich abbrechen, ich
hatte es überhaupt nicht vertragen. Zum Glück stellte sich nach
einer weiteren Probe raus, dass die Therapie schon angeschlagen hat
und die Bakterien weg waren. Mein Körper feierte dies mit einer
üblen Bronchitis. Ich war völlig fertig mit den Nerven. Auf der
einen Seite darüber von einer Krankheit in die nächste zu
schlittern und nicht wirklich gesund zu werden und auf der anderen
Seite aus Angst um meinen neuen Arbeitsplatz – schließlich befand
ich mich noch immer in der Probezeit.
Nun
begann ich mich wieder meinem Dauerzustand von
irgendwie-krank-und-irgendwie-auch-nicht weiter zu widmen. Ich war
einfach nur genervt von diesem Zustand, fing an mich viel mit dem
Thema Ernährung zu beschäftigen und zu schauen wie ich sonst noch
mein Immunsystem auf Vordermann bringen konnte. Schließlich meldete
ich mich im Fitnessstudio an – zum einen um fit zu werden und zum
anderen um einen Ausgleich zu meiner sitzenden Tätigkeit zu haben.
Weit kam ich mit meinem Training natürlich nicht, die nächste dolle
Erkältung klopfte an die Tür. So sollte das Spiel noch eine Weile
weitergehen.
Anfang
Dezember bekam ich starke Rückenschmerzen. Genauer gesagt, unter
meinem rechten Schulterblatt. Da die Schmerzen auch nach Tagen
einfach nicht verschwanden, entschied ich mich zum Orthopäden zu
gehen. Mit einem frisch eingerenkten Rücken verließ ich die Praxis.
Einen Tag vor Weihnachten besuchte ich erneut die Praxis, mein
Zustand war unverändert. Wieder wurde mir mein Rücken eingerenkt
und mit einem Überweisungsschein zur Physiotherapie verließ ich die
Praxis. Am nächsten Tag, pünktlich zum Weihnachtsessen am Mittag,
hatte ich so dolle Schmerzen, dass ich nicht mehr wusste wohin mit
mir. Ich fuhr in die Notaufnahme. Doch anstatt mal zu Röntgen oder
sonstige Untersuchungen vorzunehmen, schickte man mich mit
Schmerzmitteln wieder nach Hause. Also schlug ich mich, wie immer,
mit Schmerzmitteln weiterhin durch und strebte meine Termine für die
Physiotherapie im nächsten Jahr an.
Sechs
Mal Physiotherapie absolviert, Gesundheitszustand unverändert,
Schmerzen sogar noch schlimmer. Die Schmerzen ließen mich zum Teil
kaum noch durchschlafen, ich wusste nicht, wie ich liegen sollte und
sie schienen immer gegenwärtig. Wenn es gar nicht mehr auszuhalten
war, nahm ich eine Schmerztablette. Für einen kurzen Moment machte
sich Erleichterung breit – die Schmerzen waren endlich
verschwunden. Da alles nichts brachte, suchte ich den nächsten Arzt
auf, denn ich war irgendwie nicht so recht wie der Arzt, davon
überzeugt, dass das alles ja allein von meiner verkrampften
Schreibtischarbeit kommen kann. Hier ein ganz besonderes Exemplar von
Orthopädin: Sie hörte sich noch nicht mal meine Geschichte an, ließ
mich nicht aussprechen, sondern renkte mir nur mal wieder mein
Brustbein und und verließ mit den Worten „ich verspreche Ihnen, in
spätestens zwei Tagen können Sie wieder durchschlafen“, das
Zimmer. Völlig hilflos und aufgelöst kam ich aus der Praxis. Ich
hatte die Schmerzen und diese Unfähigkeit von Ärzten langsam so
satt.
Anlauf
Nummer... ich weiß es schon nicht mehr. Meine Mutter empfahl mir
einen, wie sie sagte, sehr guten und einfühlsamen Orthopäden. Da
ich nach meinem Anruf in der Praxis monatelang auf einen Termin hätte
warten müssen, setzte sie sich für mich bei dem Arzt ein und
besorgte mir einen früheren Termin. Der Arzt schaute mich zur
Abwechslung mal etwas genauer an und verschrieb mir ebenso weitere
Physiotherapie. So eine Therapie dauert ja schließlich seine Zeit,
und er empfahl mir eine andere Praxis dafür. In dieser Praxis wurde
mir noch mal ordentlich gezeigt wo der Hammer hängt: hier wurden mir
die sogenannten Schmerzpunkte gedrückt. Vor Schmerz schossen mir
sogar bei meinem ersten Termin die Tränen in die Augen. Belächelnd
wurde festgestellt, dass ich wohl ein etwas empfindliches Exemplar
sei. Vor jedem weiteren Besuch der Praxis hoffte ich sehr, dass wir
mal etwas anderes machen würden, als meine Schmerzpunkte
auszuquetschen, aber leider wurde daraus nichts. Nach sechs Sitzungen
– wie immer keine Änderung, eher im Gegenteil. Nach einiger Zeit
wurde zwar der Rücken minimal besser, aber ich bekam extreme
Schmerzen in meinem rechten Brustkorb und am Brustbein mittig. Ich
konnte weder auf meiner rechten Seite liegen, noch auf dem Bauch.
Schon beim geringsten Umdrehen schmerzte es nur noch wie die Hölle.
Von da an schlief ich keine Nacht mehr durch. Teilweise schlief ich
auch nur noch sehr wenig und oftmals nur noch mit Schmerzmittel. Oft
wachte ich extrem geschwitzt auf und musste sogar meine Sachen
wechseln. Ich dachte immer, es liegt daran, dass mein Körper
aufgrund der Schmerzen so reagiert.
Also
wieder zum Arzt. Da dieser allerdings nicht da war, musste ich zu
einem Kollegen. Dieser hatte die nächste abenteuerliche Reise für
mich vorbereitet: „Sie haben das seltene Tietze-Syndrom, das können
Sie ja mal googeln“. Mit hoch dosierten Schmerzmitteln, einer
Überweisung zur Physiotherapie und Sportempfehlung ging ich nach
Hause. Ein bisschen erleichtert war ich irgendwie schon, denn ich
hatte endlich etwas, wie ich dachte, greifbares. Die Symptome
schienen sich mit meinen zu decken, auch wenn die Schmerzen meistens
auf der anderen Körperseite aufkommen sollten. Also lutschte ich
fleißig weiter meine Schmerzbonbons und ging weiterhin zur
Physiotherapie – dieses Mal mit dem Ausdrücken der Schmerzpunkte,
unter großem Krafteinsatz meiner Physiotante, auf meinen rechten
Brustkorb. Rückblickend und mit jetzigem Gewissen um was es sich
letzten Endes handelte, finde ich diese Prozedur und diese
„Behandlungsmethode“ einfach nur erschreckend... Es könne sich
hier nur um einen eingeklemmten Nerv unter dem Brustbein handeln,
schließlich kam der Schmerz doch unter meinem zweiten Rippenbogen
extrem zum Vorschein. Von einem Tietze-Syndrom, wo sich die
Knorpelhaut der Rippenbögen oder dem Brustbein entzündet, hätte
sie auch noch nie gehört. Also den Schmerz versuchen weiterhin
herunterzuschlucken und die Physiotherapie weiter durchstehen. Die
Schmerzmittel, die nun fester Bestandteil meines Alltags waren,
halfen mir zunehmend kaum noch...
Nun
fing auch noch meine Haut am Hals und Dekolleté an zu jucken und
kleine trockene Stellen zu bilden. Ich dachte schon, ich hätte ein
Ekzem oder irgendeine leichte Art der Neurodermitis entwickelt.
Einige Wochen später fingen beide Unterarme nun auch noch, nach der
Arbeit im Garten, unangenehm an zu jucken und zu brennen und wurden
sogar leicht rot. Ich dachte auch wieder an eine Allergie und so
entschied ich mich dann einen Allergietest machen zu lassen.
Natürlich blieb auch dieser ohne Befund. Die Beschwerden aber
blieben.
Damit
ich mich meinem Krankheitsschema natürlich nicht weiter entfernte,
bekam ich mal wieder die nächste größere Erkältung mit nervigem
trockenem Husten. Ich suchte meine Allgemeinarztpraxis auf. Der
Vertretungsarzt verabschiedete mich schnell mit den Worten „na wenn
Sie nur einen Krankenschein brauchen, brauche ich sie ja nicht
abhorchen“. Überschüttet mit so viel Nettigkeit und Kompetenz
verließ ich die Praxis. Die Erkältung wurde besser, der Husten
blieb und das nun schon hartnäckig seit sechs Wochen und man
verschrieb mir nun ein Asthmaspray. Kurze Zeit später: eine eitrige
Mandelentzündung. Wieder Antibiotikum.
Rückblickend,
wenn ich diese Zeilen schreibe, bin ich immer noch sehr schockiert,
wie lang sich dieser Weg im Vorfeld zog, wie unglaublich ignorant und
desinteressiert so viele Ärzte sind und waren. Hauptsache irgendwas
in die Hand gedrückt und schnell wieder wegschicken. Auch während
meiner Therapiezeit im Krankenhaus habe ich so unendlich viele
Geschichten gehört, in denen es den Menschen genauso erging. Es ist
doch einfach schrecklich. Wozu geht man denn überhaupt noch zum
Arzt? Und wie oft ich doch dachte, mit all den in den Raum geworfenen
„Diagnosen“, dass ich endlich wüsste woran all das liegt und das
ich anscheinend endlich etwas dagegen tun könnte...
Da
ich nach einiger Zeit immer noch nicht wieder richtig fit war, ging
ich wieder zur Allgemeinarztpraxis. Nun landete ich bei einer
wirklich tollen Ärztin. Abgesehen davon, dass mich ihre Art und ihre
Sprüche jedes Mal zum Lachen brachten, setzte sie sich für ihre
Patienten zu 110% ein. Sie hörte sich meinen ganzen gesundheitlichen
Leidensweg noch mal an. Sie beschloss ein Blutbild zu machen. Dabei
stellte sie fest, dass ich extrem hohe Entzündungswerte im Blut
hatte. Diese lagen weit außerhalb der Norm und sind nur bei starken
Krankheiten so extrem hoch. Nach etlichen weiteren Blutabnahmen, um
die Werte zu kontrollieren und zu überwachen, bekam ich das nächste
Antibiotikum verordnet. Wieder half es nichts, die Werte waren immer
noch zu hoch. Schließlich zog sie in der Gemeinschaftspraxis die
anderen Ärzte zu Rate. Jetzt sollte alles mal durchgecheckt werden,
irgendwo muss es doch schließlich herkommen. Nach zweimaligem
Röntgen des Brustkorbes wegen meiner Schmerzen und dem Husten,
Ultraschall meines Bauches mit allen dazugehörigen Organen, folgte
nun die Vorstellung beim Kardiologen. Das EKG war völlig in Ordnung,
allerdings stellte der Arzt beim Ultraschall fest, dass sich Wasser
in meinem Herzbeutel gesammelt hat. Dieses sollte sich mit Ruhe und
Schonung wieder zurückbilden. Also ging ich mit dem nächsten gelben
Schein, und leicht geschockt, wieder nach Hause. Das etwas an meinem
Herz nicht in Ordnung sein sollte beunruhigte mich doch ganz schön.
Nach drei Wochen war es durchstanden, das Wasser war draußen. Ich
war froh, dass es doch so schnell ging und das es nun für die
Entzündungswerte und die damit verbundenen unendlich vielen
Blutabnahmen eine Erklärung und ein Ende gab. Zurück zu meiner
tollen Ärztin, mit meiner freudigen Nachricht. Doch meine Blutwerte
sollte eine andere Sprache sprechen. Sie waren sogar noch etwas
Höher. Ich sagte ihr, dass ich demnach gern ein MRT machen lassen
würde, denn oft ist ja beim Ultraschall nicht alles erkennbar.
Vielleicht hat sich ja doch noch etwas hinter meinem Herzchen
versteckt. Verständnisvoll überwies sie mich erneut zum Kardiologen
und dieser besorgte mir einen ambulanten MRT-Termin im Krankenhaus.
Nach einer Woche rief mich die Schwester der Praxis an und sagte mir,
dass der Arzt gern die Auswertung mit mir besprechen möchte. Ich
fragte sie, ob sie mir das Ergebnis nicht schon am Telefon sagen
könnte, so hätte ich gewusst woran ich bin oder mir vielleicht
sogar, so dachte ich, den Weg in die Praxis gespart. Sie sagte, dass
der Arzt mich selber sprechen wollte. Komischer Weise bekam ich nach
diesem Telefonat ein komisches Gefühl in meiner Magengegend. Mulmig
ging ich am Nachmittag in die Praxis.
Ich
erinnere mich auch noch heute an die genauen Worte des Arztes: „Ich
habe ihre MRT-Auswertung bekommen, das Wasser ist aus dem Herzbeutel
raus und auch so sieht ihr Herz erst mal sehr gut aus, keine
Entzündung oder dergleichen wurde eindeutig gefunden.“ … kurze
Pause und es wurde Luft geholt. Mein Magen zog sich zusammen. „ ...
Allerdings haben wir da im MRT etwas gefunden, was da nicht
hingehört“. Ich war völlig erstarrt, mein Kopf völlig leer. Er
erklärte mir, dass man nicht genau sagen könne was es ist. Es sei
rund 6 cm groß und kann alles mögliche sein. Es muss nichts
Schlimmes sein, aber ausschließen kann man es auch wirklich erst
durch weitere Untersuchungen. Und dann dämmerte mir, was er wirklich
meint. Die Tränen kündigten sich nicht leise an, sie brachen aus
mir heraus. Der Arzt riet mir, es im Krankenhaus abklären zu lassen.
Er bat mir an, sich zu erkundigen, welches Krankenhaus
schnellstmöglich einen Platz für mich frei hat und welches auf
meine benötigten Untersuchungen spezialisiert ist. Ungeduldig
wartete ich Tag für Tag auf meinen Termin für das Krankenhaus.
Zwei
Tage nach meinem 28. Geburtstag sollte es dann so weit sein: ich
überschritt unmerkbar die Schwelle in einen neuen Lebensabschnitt,
der alles für immer verändern sollte...