Mittwoch, 16. März 2016

Anschlussheilbehandlung - oder nennen wir es einfach mal Reha

Drei Wochen sind vergangen und ich komme erst jetzt dazu, die Dinge nieder zu schreiben. Am Donnerstag, den 24. März 2016, ging es für mich zur Anschlussheilbehandlung. Schatzi, wieder unabdingbar an meiner Seite, fuhr mich in die vier Stunden entfernte Klinik. Hier hatte ich mich nach langer Recherche für ein spezialisiertes Programm, extra für junge Erwachsene bis 32, angemeldet. Ich fuhr mit gemischten Gefühlen, auf der einen Seite war es ein doofes Gefühl gleich vier Wochen nicht Zuhause zu sein und wieder mein Umfeld wechseln zu müssen. Schließlich war ich ja lang genug durch die Krankenhausaufenthalte nicht Zuhause gewesen. Auf der anderen Seite freute ich mich aber. Ich hatte die Hoffnung, endlich wieder fit zu werden, Kraft zu tanken (auch innerlich) und einfach mal raus und weg zu kommen. Klar würde ich auch hier sehr mit meiner Krankheit oder die der anderen konfrontiert werden, aber es fühlte sich anders an. Alle sitzen wir im selben Boot. Hier muss sich niemand rechtfertigen für seine Launen, Gefühle, Traurigkeit, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Narben die innerlich oder äußerlich sind, Ängste oder Zukunftsangst. Nein, hier kann ich wirklich sein wie ich bin, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber anderen zu haben. Es ist nun mal alles verändert und das zum Teil für immer. Doch wirklich verstehen tut das leider keiner. Könnte ich als Außenstehender auch nicht. Also bin ich nachsichtig und versuche es auch von außen zu sehen, um keinen Unrecht zu tun...

Nachdem ich mich angemeldet und mein Zimmer gezeigt bekommen hatte, musste ich zum Aufnahmegespräch. Als sich die Tür des Oberarztes öffnete, musste ich lachend feststellen, dass man diesen aus dem Infofilm der Klinik und des Konzeptes aus dem Internet kennt. Das Gespräch war wirklich nett und ich hatte endlich mal das Gefühl, dass mir ein Arzt zuhört, einfühlsam ist und mich versteht. Er fragte mich nach meinen Zielen, was mich derzeit noch einschränkt und belastet und welche Sportprogramme mich interessieren würden. Anhand dessen wird mein Wochenplan erstellt. Diesen sollte ich abends bekommen.

Zum Mittag sah ich dann meine Gruppe. Mit dieser werde ich die nächsten vier Wochen verbringen, auch wenn nicht jeder immer die selben Kurse hat. Aber zu den Mahlzeiten, Ausflügen und Gruppenaktivitäten oder auch mal abends, sind wir immer zusammen. Insgesamt sind wir eine recht große Gruppe von 15 Leuten. Erschreckend stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass ich sogar die Zweitälteste bin. Ich bin schockiert! Zu meinem Erstaunen haben auch so einige diesen Morbus Hodgkin-Untermieter gehabt. Bei einer aus meiner Gruppe fühle ich mich fast, als sähe ich in einen Spiegel. Sie hat zwar zwei Zyklen mehr bekommen, Bestrahlung, noch kürzere Haare und der Tumor war um einiges größer, aber der Rest ähnelt allem so sehr, dass es fast schon erschreckend ist. Die Symptomatiken im Vorfeld, der Ärztemarathon, verbliebene Nebenwirkungen... Wahnsinn. Ich bin froh darüber, dass ich in meiner Gruppe einige Leute habe, mit denen ich mich – speziell zu meiner Krankheit – austauschen kann. Zwei Mädels sind sogar ein zweites Mal hier. Nach einem Jahr hat man nämlich die Möglichkeit, noch einmal eine Reha machen zu können. Es ist schön zu sehen, dass alles wieder bergauf geht, auch wenn bei beiden noch lange nicht wieder alles gut und „normal“ ist.

Meine drei Wochen waren bisher mehr als vollgepackt. Darunter viele Sportprogramme wie Gymnastik für den Bauch und Rücken, Wassergymnastik, Ausdauertraining, Body Workout, Muskeltraining und Krankengymnastik. Weiterhin gibt es einige Vorträge, an denen man teilhaben kann, so zum Beispiel für die gesunde Ernährung, Stressbewältigung, soziale Themen und Ansprüche und auch Fatigue. Letzteres fand ich noch einmal sehr interessant, auch wenn ich vor einiger Zeit darüber mal eine Broschüre gelesen hatte, in der ich mich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wieder fand. Doch nun erkenne ich so viele Symptome wieder. Ich dachte auch daran, wie sehr dieser Vortrag so vielen in meinem Umfeld gut getan hätte. So würden sie mich und so einiges sicher besser verstehen können... Die Leiterin des Kurses sagte, man soll in der Broschüre am besten alles markieren, was auf einen zutreffen würde und es den Mitmenschen zeigen, damit diese unsere Situation vielleicht besser verstehen könnten. Aber irgendwie finde ich es das auch doof. Ich will ja auch keinen mit der Nase drauf stupsen und ständig sagen, lies doch nach, dass hab ich und das ist mit mir oder meinem Körper los... Weiterhin gibt es noch diverse Gruppenaktivitäten wie gemeinsames Kochen, Sport, Gruppengespräche mit einer Psychologin, Ausflüge und Sport. Heute Abend startet auch das Projekt „Leinwand“. Hier bekommen wir die Aufgabe, eine Leinwand bis zum Reha-Ende anzufertigen. Wir sollen uns Gedanken machen, was zu unserer Truppe am besten passen würde und das dann zeichnen, kleben, mit Fotos gestalten oder sonstiges. Am Samstag steht dann noch ein letzter Ausflug an. Wir werden erst in die Bon Bon-Fabrik fahren und im Anschluss werden wir gemeinsam kochen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Ihr seht also, hier wird es nicht langweilig und auch die Zeit ging bisher so rasend schnell vorbei. Das hätte ich nicht erwartet. Und auch bloggen wollte ich eigentlich etwas öfter! Aber so ist es etwas kompakter, alles andere wäre wohl auch zu viel geworden. Und das schöne ist: der Blog ist ENDLICH aktuell und ich muss nicht mehr so weit in der Vergangenheit graben!!!

Alles Liebe aus der Ferne,

eure Jasmin

Donnerstag, 10. März 2016

Die erste (?) Nachsorge

Nun war es so weit – die erste Nachsorge stand nach drei Monaten an. Laut des Nachsorgeplans ist die erste Nachsorge direkt nach der Therapie, aber ich finde, es ist eher eine Kontrolle, ob es wirklich weg ist. Dann kann nachkontrolliert werden. Eigentlich sagte man mir auch mal, dass es eher eine Abschlussuntersuchung ist.

Erstaunlicher Weise hatte ich die Nacht davor gut geschlafen. Ein komisches Gefühl hatte ich vor dem Termin dennoch – musste ich doch genau auf die selbe Ct-Liege, auf der noch vor gut sechs Monaten die Biopsien entnommen wurden, die mein Schicksal besiegeln sollten. Ja, ein klein wenig Angst schlich sich durchaus ein, aber dennoch dachte ich sehr positiv. Das mich mein ehemaliger Untermieter noch mal unangemeldet überfallen würde und dann auch nach der kurzen Zeit, hielt ich so ziemlich für unmöglich.

Im Krankenhaus angekommen, wurde mir erst mal ein Zugang gelegt und Blut abgenommen. Dies geschah im überfüllten Chemoraum. Einige meiner Venen waren durch die Chemotherapien dahin gerafft worden. Umso überraschter war ich, dass sich meine eine, einst super Vene, nach Monaten endlich wieder an die Oberfläche gewagt hatte. Es war komisch wieder da zu sein und die Menschen zu sehen, die mitten in ihrer Therapie waren. Ich dachte automatisch an die Zeit, in der ich selbst hier saß. Ich dachte daran, wie ich immer etwas leckeres zu essen im Beutel hatte, vollgepackt mit Muttis Frauenzeitschriften, wie ich immer gedanklich die Liste abhakte wenn eines der vielen Medikationen durch war, wie Schatzi sich die Wartezeit mit dem Spielen auf seinem Handy vertrieb und ich immer aus den großen Glasfenstern schaute auf die Menschen, die nicht wie ich hier gefangen waren... Ich war froh, als ich wieder raus marschieren konnte.

Anschließend ging ich zum CT-Warteraum. Einige Zeit später kam ein Pfleger, der mich aufklärte. Er fragte mich, welches Therapieschema ich denn bekommen hätte. Er sagte, dass er das Beacopp esk.-Schema sehr gut nachvollziehen kann, sein Morbus Hodgkin sei nun 3 ½ Jahre her. Dann sagte er noch: „das Leben geht irgendwann wieder weiter.“ Irgendwie beruhigte mich das sehr, denn dieses Gefühl war leider noch immer nicht bei mir angekommen. Nun musste ich nochmal warten, da noch ein Mann vor mir dran war. Dann war es so weit, ich war an der Reihe. Nachdem ich meinen Oberkörper frei gemacht und mich hingelegt hatte, wurde das Kontrastmittel schon mal an meine Flexüle angeschlossen. Dann sollte ich die Augen schließen und wurde unter den CT-Ring gefahren. Einmal abscannen, tief einatmen, abscannen, Kontrastmittel-Injektion, abscannen, tief einatmen, abscannen und das war es auch schon. Nun sollte ich noch zehn Minuten warten, dann sollte mir die Flexüle gezogen werden.

Nachdem das Pflichtprogramm absolviert war, ging ich mit meinen treuen Begleiterschatzi noch in die Cafeteria. Dort traf ich noch auf einen sehr netten Arzt, der mich unter anderem auch in der Zeit mitbehandelt hatte und vor allen Dingen mit viel Geduld so einige meiner Fragen und Ängste beantwortet hatte. Danach ging es endlich heim – das reichte an Krankenhaus für den Tag. Knapp eine Woche später sollte dann der zweite Teil der ersten Nachsorge anstehen.

Eine Woche später war ich also noch einmal vor Ort. Heute sollte ein Ultraschall erfolgen, anschließend die Auswertung von meinem CT und meiner Blutuntersuchung. Die Schwester an der Anmeldung nahm mir gleich den Wind aus den Segeln – der Ultraschall wird heute eh nicht gemacht, der Arzt sei immer noch krank. Da es anscheinend nur einen Arzt in diesem Krankenhaus gab, der diesen Ultraschall hätte durchführen können, sollte ich mir dann später einen neuen Termin geben lassen. Schön, dass ich nun in ein paar Tagen vier Wochen erst mal zur Kur bin... Weiterhin informierte sie mich, dass auch mein Arzt nicht da sei. Es sei auch nur ein Arzt da, deshalb würde es wohl eine Weile dauern. So wartete ich eine ganze Weile, bis der Arzt mich aufrief. Zum Glück war mein netter Arzt da. Er fragte, wie es mir geht und checkte mich kurz durch. Er sagte, dass mein CT gut aussieht, das vernarbte Gewebe sei sogar noch etwas geschrumpft. Er wollte sich noch meine Blutwerte anschauen, stellte aber fest, dass diese nicht da waren... Ich gab ihm zur Durchsicht meine älteren Werte, die ich Anfang Februar ambulant hatte machen lassen. Diese sahen soweit gut aus. Lediglich die Leukozyten waren noch immer sehr niedrig und auch die Imunstatuswerte waren noch nicht so gut. Aber bis diese sich erholen, dauert es wohl auch noch etwas. Im Anschluss ließ ich mir einen neuen Ultraschalltermin geben sowie schon einen nächsten Nachsorgetermin für den Mai. Da würde dann allerdings nur noch eine Blutuntersuchung stattfinden. Wieder verließ ich mit einem doch recht neutralen Gefühl die Klinik. Natürlich freute ich, dass der Krebs tatsächlich weg war, aber da mein Leben mir noch immer so chaotisch und „unormal“ erschien, war für mich das Gefühl endlich wirklich frei zu sein nicht so wirklich vorhanden.

Mittwoch, 9. März 2016

Ab auf die Sonnenbank?

Ich hatte euch ja schon erzählt, dass ich in die HD-17 Studie eingeschlossen wurde. Dabei geht es ja darum, ob man eventuell die Bestrahlung nach der Chemotherapie weglassen könnte, um so Langzeitschäden vermeiden zu können. Auch wenn einer der Ärzte mir damals sagte, dass ich bestrahlt werden würde, war ich noch gar nicht in einen Studienarm eingeteilt worden, da dies immer nur nach Abschluss der Therapien erfolgt.

Und so rief ich eine Woche nach meinem Abschlussgespräch in der Studienzentrale an. Die Dame hatte immer noch nichts vorliegen und wollte sich telefonisch noch einmal erkundigen, ob es schon ein Ergebnis gibt. Bereits kurze Zeit später rief sie mich zurück. Sie hätte ein Fax bekommen – ich bin nicht im Arm der Bestrahlung. Ich war total überrascht. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich hatte mich innerlich schon wirklich darauf eingestellt. Also sollte es das nun gewesen sein? Fertig? Nichts kommt mehr? Ich habe alle Therapien abgeschlossen? Das konnte ich gedanklich überhaupt noch nicht annehmen. Wieder machte ich auf die Menschen um mich herum den Eindruck, als würde ich mich nicht freuen – was aber nun wirklich nicht stimmte. Es war für mich nur einfach noch nicht greifbar.

Abschlussuntersuchung

5 Tage später stand schon meine Abschlussuntersuchung an. Ich war aufgrund der letzten Chemotherapie noch immer nicht wirklich fit. Die Nebenwirkungen waren dieses Mal etwas besser, ich hatte aber auch alle Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen zu Hause eingeworfen, die ich finden konnte. So blieb zumindest alles an Ort und Stelle – auch wenn mir sehr übel war.

Ich meldete mich in der onkologischen Ambulanz an – schließlich musste meine Karte durchgezogen werden. Im Anschluss ging es in die Nuklearmedizin. Die Schwester rief mich auf, um mir meinen Venenzugang zu legen. Ich wies sie darauf hin, dass nur noch ein paar meiner kleineren Venen funktionieren würden. Schon war sie genervt und versuchte eine meiner kleinen Venen an zu peilen. Die Nadel lag zwar, aber es war kein Rücklauf da. Also stach sie ein zweites Mal in der Vene herum, ohne die andere Nadel vorher zu entfernen. Dieses ganze Gestochere tat wirklich weh und ging mir irgendwann gehörig auf den Kreislauf. Belächelnd sollte ich mich auf die Liege legen. Sie würde die Ärztin rufen, damit diese mir dann eine Nadel legt. Daraufhin kam die Ärztin und stach mich nun ein drittes Mal. Sie nahm natürlich den Handrücken, wo es immer so schön weh tut. Aber die Nadel saß endlich richtig. Ich war total genervt. Ich bekam nun das radioaktive Zeug injiziert und sollte dann im Wartebereich warten und das Zuckerwasser trinken. Die Liege im Arztzimmer verließ ich mit ordentlichen Blutspuren...

Nach einer Stunde wurde ich in den CT-Raum gerufen. Dort sollte ich meine Hose wegen des Metallknopfes ausziehen. Der Schwester ging es nicht schnell genug und witzelte: „Sie können auch die andere Hand nehmen, die können Sie durchaus trotzdem bewegen.“ Noch immer genervt machte ich ihr klar, dass die frisch gestochene Stelle mir bei der Bewegung weh tut... Nun lief das Pet-CT. Nach einiger Zeit wurde ich an das Kontrastmittel angeschlossen und die Ärztin führte einen kleinen Probelauf durch, um sicher zu gehen, dass die Nadel auch wirklich in der Vene liegt. Als das Mittel einschoss drückte und schmerzte es in meinem Handrücken. Die Ärztin schaute nach und sagte, dass die Nadel aber richtig liegen würde. Also ging es noch einmal mit Kontrastmittel in die letzte Runde. Im Anschluss schmiss die Schwester mir, mit einen auf die Nadel bezogenen Wink, noch mal einen Spruch um die Ohren. Ich überhörte ihn und zog mich an.

Ich war einfach nur froh, als ich wieder Zuhause war. Der Tag war für mich einfach nur eine Tortur gewesen und ich war völlig fertig.

Eine knappe Woche später sollte ich zur Auswertung kommen. Ich war sehr nervös. Ich hatte doch Bedenken, ob und wie die Therapien angeschlagen hätten und wie es nun für mich weitergehen würde. Nach langem Warten rief mich der Arzt ins Zimmer und sagte mir, in seinem für mich erst nicht verständlichen Arztjargon, dass es kein aktives nachweisbares Gewebe mehr gibt, sondern lediglich inaktives Restgewebe. Zu Deutsch: ich war geheilt! Er sagte mir weiterhin, dass die Spezialklinik sich das CT noch einmal anschauen wird und auch anhand dessen entscheidet, in welchen Studienarm ich eingeteilt werden würde. Ich sollte mich telefonisch in einer Woche noch einmal im Studienbüro melden.